Der Interviewband "Stadtgespräche" liegt auf einem dunklen Holztisch, daneben ist ein Flyer von "Demokratie leben!" zu sehen.

In der Krise Dialoge wahren

Der Alltag hat sich mit der Corona-Pandemie für viele Menschen verändert, zwei motivierende Projekte zeigen, wie ein Dialog dennoch nicht verloren geht.

Pinselstrich

Seit über zwei Jahren stellt die Corona-Pandemie Menschen weltweit immer wieder vor neue Herausforderungen. Jeglicher Kontakt zwischen ihnen wird überschattet – gesundheitlich und mental. Das soziale Miteinander leidet und sorgt auch bei den Partnerschaften für Demokratie, den Modellprojekten und Landes-Demokratiezentren im Bundesprogramm "Demokratie leben!" für neue Aufgaben und organisatorische Hürden.

Stadtgespräche im Norden

Diese anhaltende Situation hat jedoch auch zu Projekten geführt, die es ansonsten vielleicht nicht gegeben hätte. Sie drehen sich um eine, ja vielleicht banale Frage, die aber gerade deshalb gestellt werden sollte: Wie geht es dir? In Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern richtete Studentin Lena Droese diese Frage nicht nur an ihren Freundeskreis. Im Herbst 2020 stand sie vor ihrem Lieblingscafé, das wegen des Lockdowns geschlossen war. Da kam ihr eine Idee, aus der im vergangenen Sommer 2021 eine Interviewreihe entstand. Diese porträtiert die Erfahrungen der Menschen mit dem Lockdown.

Lena Droese und Anna Knüppel halten den Interviewband "Stadtgespräche" in die Kamera.
Lena Droese (links) und Anna Knüppel, Bild: Partnerschaft für Demokratie Greifswald

Die Reihe konnte dann als Buch unter dem Titel "Stadtgespräche – Greifswald im Lockdown" mithilfe der Partnerschaft für Demokratie in Greifswald sowie Anna Knüppel und Michael Schröder umgesetzt werden, die für die Gestaltung und das Layout verantwortlich waren. Im Interviewband sprechen Abiturentin Alina, Tänzerin Avah, Student Tim, Krankenpfleger Hemendra, Pastorin Beate, Fußballer Peterson, Zahnarzt Mohammad, Renterin Gerda und viele mehr über ihren Alltag, aber auch über Demokratie und Teilhabe.

"Das Buch ist, glaube ich, ganz gut angekommen – also im kleinen Kreis in Greifswald", sagt Lena Droese. Es sei oft ein "Türöffner" vor allem bei ihren Mitstudierenden für intensivere Gespräche über die psychischen Folgen der Pandemie gewesen. "Das ist manchmal schon traurig, was in den Einzimmerwohnungen so während der Pandemie passiert. Ich denke aber, es hilft darüber zu sprechen und transparent zu machen, dass diese Zeit wohl an niemandem spurlos vorbeigeht", so die Studentin. Im Interviewband sind Gespräche mit Studierenden, Pflegekräften, Musikern, Kindern oder Freunden festgehalten. Sie reden nicht nur vom Alltag, der Arbeit oder über Demokratie, sondern auch über die raren, positiven Seiten im Lockdown und zeichnen damit ein fühlbares Bild ihrer Stadt.

Krisengespräche im Süden

Im Ostalbkreis, in der Nähe von Stuttgart, gab es Gespräche, die sogar ein bisschen an philosophische Küchentischgespräche erinnern. Was vielleicht auch am Gesprächsthema lag, denn es ging um Krisen. Das Projekt "WERTE-STIMMEN. Halt & Orientierung für eine demokratische Gesellschaft" der Partnerschaft für Demokratie im Ostalbkreis hat dafür bereits vor gut zwei Jahren Menschen interviewt und die Dialoge auf YouTube veröffentlicht. "Es hat sich am Thema auch 2022 nicht viel geändert, Krisen erleben wir auch heute", sagt Eva Bidon von der Fach- und Koordinierungsstelle im Ostalbkreis über das abgeschlossene Projekt. Das ist damals aus einer Kooperation zwischen dem Kulturcafé Paletti und dem Team von WERTansich(t) mit der Partnerschaft für Demokratie entstanden. "Wir steckten da bereits mitten in der Pandemie und das haben wir an unseren Kooperationspartnern gespürt – viele Veranstaltungen sind ausgefallen", so Eva Bidon. "Mit der Idee zu WERTE-STIMMEN wollten wir gemeinsam zum Jahresende 2020 einen positiven Punkt setzen."

Intro-Szene zeigt eine bunte Grafik mit dem Projekttitel.
Grafik: Projekt WERTE-STIMMEN

Darum hat Vatan Ukaj von WERTansich(t) Interviews geführt, die sich einerseits um Orientierungslosigkeit und ganz persönliche Krisen drehen, andererseits aber auch um neue Impulse. Da ist zum Beispiel Gerburg Maria Müller, die sagt, dass eine Krise immer etwas Positives ist, weil es um neue Wege geht. Mit der Frage, was Krisen mit Demokratie zu tun haben, setzte sich unter anderem Studentin Katja Bröner auseinander. Für sie sei es im Verhältnis von Krise und Demokratie wichtig, das Individuum zu sehen. Da trotz einer demokratischen Gesellschaft viele Krisen immer noch individuell ausgetragen werden, die eigentlich gesamtgesellschaftlich zu lösen seien – zum Beispiel beim Thema Barrierefreiheit. Sie hinterfragt, warum Barrierefreiheit wie ein Luxusgut erscheint und es nicht selbstverständlich ist, Gebäude barrierefrei zu errichten oder bei Konferenzen Dolmetschende einzusetzen. Teilhaben – das geht alle etwas an.

Weitere Projekte

Krisen können also gemeinsam gelöst werden. Viele weitere Projekte im Bundesprogramm zeigen, dass es in Zeiten der Pandemie nicht an Ideen mangelt, Menschen zusammenzubringen. Da ist die Begegnungsstätte Aue, die Oberhausener Demokratiezeitung, das Videoprojekt in Hamburg, der KiTa-Podcast, die Interviewreihe "Nachgefragt!" oder der KiJuPa-Actiontag in Waltrop.

Ihnen gemeinsam ist das Engagement vor Ort und die Flexibilität, um trotz der Einschränkungen neue Projekte umzusetzen und Demokratie mit Leben zu füllen.


Veröffentlicht im Februar 2022

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