Wald im Herbst

Naturerlebnisse ohne Diskriminierung

Die extreme Rechte hat den Naturschutz als Aktionsraum erkannt. Wo stecken in der naturpädagogischen Praxis die Anknüpfungspunkte für menschenfeindliche Denkmuster? Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es?

Pinselstrich

Wenn die Teamerinnen und Teamer von EMPOCA mit einer Gruppe junger Teilnehmenden in ein Outdoor-Camp starten, dann stehen Naturerlebnis, erfahrungsbasiertes Lernen und Empowerment im Vordergrund – auf diesen drei Säulen fußt die Arbeit der Organisation. Sie setzt sich dafür ein, dass Schwarze Kinder und Jugendliche sowohl einen gleichberechtigten Zugang zur Natur haben als auch sichere und bestärkende Erfahrungs- und Erlebnisräume dort finden.

Anknüpfungspunkte für rechte Ideologien erkennen

Warum die Arbeit der Organisation so wichtig ist, verdeutlicht die Handreichung "Die extreme Rechte und Menschenfeindlichkeit in der Umweltbildung" des Modellprojekts NaturSchutzRaum – Rechtsextremismusprävention im Natur- und Umweltschutz der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) des Vereins NaturFreunde Deutschlands. Sie informiert Naturpädagoginnen und -pädagogen darüber, wo die Umweltbildung, teilweise unbewusst, Anknüpfungspunkte für menschenfeindliche Denkmuster bietet und sensibilisiert gleichzeitig dafür, diese in der eigenen pädagogischen Praxis zu reflektieren und abzubauen. In der Handreichung heißt es: Das Nicht-Wissen über diese Anknüpfungspunkte "spielt extrem rechten und demokratiefeindlichen Akteurinnen und Akteuren in die Hände und macht pädagogische Räume vor allen Dingen für diejenigen unsicher, die von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus betroffen sind."

Naturpädagogik dekolonialisieren

Der historische Blick auf die Naturpädagogik zeigt, dass diese von kolonialem Denken geprägt war. Es spielt bis heute eine Rolle und trägt ohne kritische Reflexion zur Normalisierung von Rassismus in dem Feld bei. Die Gründer der deutschen Pfadfinderbewegung beispielsweise waren Veteranen der Kolonialkriege im südlichen Afrika, die ab Anfang des 20. Jahrhunderts viele junge Deutsche für das "Exotische und Abenteuerliche" begeistern wollten. Bis heute können sich Überlegenheitsansprüche über "das Andere" und Rassismen in der Naturpädagogik wiederfinden, etwa indem koloniale Stereotype wie Spiritualität, Körperbemalung, Lederkleidung oder Tänze am Feuer, wie sie Menschen aus Indigenen Gemeinschaften Nordamerikas oft zugeschrieben werden, weiterhin in Waldkindergärten und Freizeiten reproduziert werden. "Durch die Übernahme solcher Stereotype in der Naturpädagogik werden Indigene Kulturen vereinfacht und als exotische Attraktionen präsentiert, anstatt sie als lebendige und komplexe Gemeinschaften mit einer eigenen Beziehung zur Natur zu sehen", so Yari Or und Anthony Owosekun in ihrem Essay zur Handreichung.

Ein anderer Aspekt des bis in die Gegenwart reichenden kolonialen Erbes, so wird weiter ausgeführt, ist der Ausschluss von marginalisierten Gruppen aus Naturräumen. Privilegierte Stadtviertel weisen demnach häufig mehr Natur auf als Gebiete, in denen benachteiligte Gemeinschaften leben. Weiterhin würden Menschen aus marginalisierten ethnischen Gruppen häufig als "nicht naturverbunden" angesehen, bis dahin, dass ihre Anwesenheit in Naturräumen als störend empfunden werde.

Kompass in der Hand einer jungen Person
Kompass für die Richtung, Bild: Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) des NaturFreunde Deutschlands e. V.

Wie das Wandern von Rechten vereinnahmt wird

Als ein weiterer Anknüpfungspunkt für rechte Ideologie in der Umweltbildung wird unter anderem auch das Wandern beleuchtet, das bei rechtsextremen Jugendorganisationen ein häufiger Bestandteil des politischen Aktivismus ist. Wanderungen werden in diesem Zusammenhang über die sozialen Medien inszeniert, wobei Naturaufnahmen um ideologische Botschaften erweitert werden, die Jugendliche ansprechen sollen. Das Wandern sei für die extreme Rechte interessant, so Timo Büchner in der Handreichung, da sich darüber das ursprüngliche, natürliche Ländliche als gegensätzliches Weltbild zur modernen, technisierten und "überfremdeten" Großstadt transportieren und propagieren lasse. Auch werde von der extremen Rechten das Konzept des Wanderns als Teil der nationalen Identität inszeniert, was an die Epoche der Romantik sowie an völkische Jugendbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts anknüpfe.

Ansätze für eine respektvolle und demokratische Umweltbildung

Die Autorinnen und Autoren der Handreichung beleuchten noch viele weitere Anknüpfungspunkte für rechte Ideologien in der Umweltbildung, geben darüber hinaus aber auch Anregungen, wie Umweltbildung verantwortungsvoller und demokratischer gestaltet werden kann. So sollten Fachkräfte beispielsweise über das entsprechende Wissen verfügen, um Erzählungen und Denkmuster gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wahrzunehmen und Diskriminierungserfahrungen anzuerkennen. Auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Bildern im Kopf sei wichtig, um mehr Sensibilität zu erlangen. FARN bietet daher ergänzend zur Handreichung einen Workshop an, durch den Interessierte tiefer in das Themenfeld einsteigen können. Denn die Natur ist frei von Rassismen und so sollte es auch die Umweltbildung sein.


Veröffentlicht im Januar 2024

Vorträge und Workshops

FARN bietet bundesweit und online Bildungsformate für junge Menschen an, die zielgruppenspezifisch aufbereitet werden.

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