Ein stilisierter Baum in Lila mit Blättern und Wurzeln

Menschenfeindliche Esoterik

Esoterik kann bereichernd sein, aber auch den Nährboden für antisemitisches und rassistisches Gedankengut bereiten. Zwei neue Broschüren beleuchten die Verknüpfungen zwischen extremistischer Ideologie und esoterischen Weltanschauungen.

Pinselstrich

Das Horoskop in der Fernsehzeitschrift, das biodynamisch erzeugte Brot im Supermarktregal oder die Tipps junger Hexen auf TikTok: Esoterik begegnet einem an vielerlei Orten. Das ist oft harmlos und kann Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags helfen. Problematisch wird es, wenn sie damit um ihr Geld gebracht werden. Kritisch, wenn Kranke statt auf evidenzbasierte Medizin auf esoterische Heilungsversprechen setzen, oder wenn unter dem Deckmantel der Esoterik antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Positionen verbreitet werden.

Über das demokratiegefährdende Potenzial von Esoterik informiert die Amadeu Antonio Stiftung mit der Broschüre "Mystische Menschenfeindlichkeit". Sie legt unter anderem dar, wie esoterisches Denken als "Einstiegsdroge" für den Rechtsextremismus fungieren kann.

Auch die Broschüre "Was Esoterik Macht" des Projekts "Narrativ-Check" des Zentrums Liberale Moderne führt anhand zahlreicher Beispiele in esoterische Weltbilder ein, beleuchtet deren Anknüpfungspunkte zu menschen- und demokratiefeindlichen Haltungen und gibt Tipps für den Umgang mit Menschen, die in deren Einfluss geraten sind.

Beispiel: Anastasia-Kult und "Familienlandsitze"

Solche antidemokratischen Ideologien liegen zum Beispiel den sogenannten Familienlandsitzen zugrunde, die seit einigen Jahren zuerst in Russland, inzwischen auch darüber hinaus entstehen. In Deutschland gibt es momentan etwa 20 von ihnen. Deren Siedlerinnen und Siedler treten einerseits als Kümmerer auf, die das Dorfleben in strukturschwachen Gebieten wiederbeleben, andererseits vertreten sie die Vorstellung einer ethnisch homogenen, streng patriarchalen Gesellschaft.

Sie berufen sich auf die zehnbändige Anastasia-Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre, die er bis 2010 veröffentlichte. Deren Titelfigur verfügt über "paranormale" Fähigkeiten und habe Megre wertvolle Ratschläge für alle Bereiche des Lebens gegeben, darunter das Konzept der Selbstversorgungs-Familienlandsitze. Wie beide Broschüren ausführlich darlegen, ist die in den Anastasia-Büchern vermittelte Weltsicht allerdings sexistisch, rassistisch und antisemitisch. Die Bewegung wurde in Deutschland 2023 vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft.

Esoterische Influencer und Influencerinnen

Gänzlich an die Kommunikationsmöglichkeiten der Gegenwart angepasst haben sich rechtsextreme esoterische Influencer und Influencerinnen, deren Vorgehen in der Broschüre "Was Esoterik Macht" vorgestellt wird. Bei Telegram, auf YouTube, Facebook und Co. kombinieren sie esoterische Lebenshilfe mit Verschwörungstheorien, Querdenkertum und Rechtsextremismus. Um sich gegen die angeblichen Verschwörer und Verschwörerinnen zur Wehr zu setzen, versprechen sie Zugang zu geheimem Wissen, das sie in Form von Produkten, Publikationen, Vorträgen und Seminaren zum Kauf anbieten. In ihren Video-Reihen kommen zudem regelmäßig rechtsextreme Protagonisten und Protagonistinnen als Gäste zu Wort, die selbst nicht Teil der esoterischen Szene sind.

Handlungsmöglichkeiten

Wenn Menschen aus dem eigenen Umfeld drohen, in rechtsextreme esoterische Kreise abzurutschen, empfiehlt die Handreichung "Mystische Menschenfeindlichkeit" zunächst, mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Statt konfrontativ vorzugehen, solle versucht werden, durch Fragen mehr über die dahinterliegenden Bedürfnisse zu erfahren und mögliche Widersprüche und Alternativen aufzuzeigen. Andererseits sei es auch nötig, klare Grenzen zu ziehen und sich gegen menschenfeindliche Aussagen zu positionieren.

Weitergehende Hilfe bieten Beratungsstellen zu Sekten- und Weltanschauungsfragen, wie das Projekt "entschwört", das vom Landes-Demokratiezentrum Berlin gefördert wird, sowie die deutschlandweiten Distanzierungs- und Ausstiegsberatungen für Ausstiegswillige und deren Umfeld.

Um von Vornherein zwischen harmlosen und problematischen esoterischen Angeboten unterscheiden zu können, sollte bereits im Kindesalter mit der Prävention begonnen werden. Neben der Förderung des Interesses an Wissenschaft und der Vermittlung von Medienkompetenz habe dabei die Demokratieförderung einen großen Stellenwert, wie sie auch von zahlreichen Projekten im Bundesprogramm betrieben wird.


Veröffentlicht im Februar 2024