Infostand in Fußgängerzone mit Betreuenden und Besuchenden

Bedrohungen der Partnerschaften für Demokratie

Welchen Bedrohungen sind die Partnerschaften für Demokratie aufgrund ihres Engagements ausgesetzt, und wie lassen sich diese erfolgreich bekämpfen?

Pinselstrich

Wer sich für die Demokratie engagiert, sieht sich oft Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt – so auch die Partnerschaften für Demokratie. Um hierzu ein genaueres Bild zu erhalten, hat das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS), eine der wissenschaftlichen Begleitungen des Bundesprogramms "Demokratie leben!", die Partnerschaften zu ihrer jeweiligen Bedrohungslage befragt. Es zeigten sich drei Formen der Bedrohung, auf deren Grundlage das ISS vier Typen der Bedrohungslagen erarbeitet hat. "Demokratie leben!" hat mit den Forschenden der demnächst erscheinenden Studie "Demokratiegefährdende Bedrohungslagen" gesprochen.

Welche Formen der Bedrohungen in den Fördergebieten der Partnerschaften für Demokratie gibt es?
Trotz aller Vielfältigkeit der Förderregionen lassen sich drei zentrale Formen differenzieren.

Erstens auf Personen oder Gruppen gemünzte demokratie- und menschenfeindlich motivierte Anfeindungen, Bedrohungen und tätliche Übergriffe. Einerseits als ressentimentgetriebene ­ Angriffe auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, andererseits gegen Personen aufgrund ihres demokratischen Engagements. Hier geraten dann auch verstärkt Personen in politischen Ämtern in den Fokus.

Zweitens ist in einigen Förderregionen das Phänomen der "Shrinking Spaces" zu beobachten, die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten demokratisch Engagierter. Dies geschieht sowohl durch Kontrollansinnen, etwa durch parlamentarische Anfragen, öffentliche Delegitimierung, individuelle Diffamierungen oder direkte Behinderung der Arbeit von außen, als auch durch Formen der inneren Einflussnahme, des Eindringens antidemokratischer Agierender in ehrenamtliche Strukturen und Gruppen.

"In knapp drei Vierteln aller Partnerschaften für Demokratie wird beobachtet, dass Menschen wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit von Beleidigungen, Bedrohungen oder Übergriffen betroffen sind [...]."

Autorin und Autoren der Studie "Demokratiegefährdende Bedrohungslagen"

Drittens lassen sich regionale Bedrohungslagen identifizieren, die unter dem Schlagwort der "bedrohlichen Ruhe" zusammengefasst werden können. In den betroffenen Regionen sind auf den ersten Blick gar keine besonders ausgeprägten Bedrohungen zu erkennen – der Grund dafür ist allerdings die lokale Normalisierung demokratiegefährdender Positionen.

In welchem Ausmaß sind die Förderregionen der Partnerschaften für Demokratie von diesen betroffen?
In knapp drei Vierteln aller Partnerschaften für Demokratie wird beobachtet, dass Menschen wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit von Beleidigungen, Bedrohungen oder Übergriffen betroffen sind, zivilgesellschaftliche Handelnde in fast zwei Dritteln der Förderregionen. Diese Zahlen verbleiben in den letzten Jahren auf demselben hohen Niveau.

Auffällig entwickelt sich dagegen die Zahl der Förderregionen, aus denen Anfeindungen gegen kommunale Staats-Repräsentierende gemeldet werden. Diese sind etwa seit dem Jahr 2020 deutlich gestiegen: bezogen auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder Landrätinnen und Landräte von 28 auf 41 Prozent. Bezogen auf Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und Politikerinnen und Politiker von 40 auf 49 Prozent.

Wie unterscheiden sich die Möglichkeiten der Partnerschaften für Demokratie, den Bedrohungen zu begegnen?
Es macht einen Unterschied, ob Behinderungsversuche aufgefangen werden können von einem unterstützenden lokalen politischen Klima, das in den vielfältigeren urbanen Kontexten und Regionen mit einer aktiven Zivilgesellschaft häufiger gegeben ist – oder ob Betroffene wenig solidarische Gegenwehr erleben. Das heißt nicht, dass es in diesen betroffenen Regionen keine aktive Zivilgesellschaft gibt. Ganz im Gegenteil, sie ist in Teilen nur ziemlich auf sich allein gestellt und damit anderen Gefährdungen ausgesetzt. Dies schafft dann eine regional durchaus unterschiedliche Betroffenheit.

Welche Typen haben Sie daraus abgeleitet? Wie sind diese regional verteilt?
In den Förderregionen des eher kleinstädtischen Typs 1 werden recht wenig Anfeindungen verzeichnet. Zugleich sind jedoch die zivilgesellschaftlichen Strukturen relativ schwach, was zumindest eine gewisse Vulnerabilität dieser Regionen anzeigt.

Typ 2 ist überproportional häufig in ostdeutschen Landkreisen verortet. Auch hier gibt es seltener ausgebaute Ressourcen der Gegenwehr, die lokale Zusammenarbeit in der Bearbeitung demokratiegefährdender Problemlagen funktioniert häufiger als anderswo nicht gut. Zugleich aber liegt nach Einschätzung der Betroffenen ein erheblicher Problemdruck durch rechte Übergriffe und aktive Gruppen vor, was sich zusammengenommen zu einer problematischen Gesamtsituation verdichtet.

Ebenfalls stark von antidemokratischen Phänomenen betroffen sind die Förderregionen des Typs 3. Im Unterschied zum vorangegangenen Typ verfügen die hier zusammengefassten Regionen aber über sehr aktive Strukturen einer demokratischen und sich wehrenden Zivilgesellschaft. Sie können letztlich mit den Bedrohungen umgehen und diesen entgegentreten. Dieser Typ umkämpfter Förderregionen ist der häufigste. Er ist in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen und zumeist in Städten anzutreffen.

Den eher westdeutschen und oft, aber keineswegs ausschließlich großstädtischen Typ 4 zeichnet wiederum aus, dass in den betreffenden Regionen ebenfalls sehr starke Fundamente demokratischen Engagements vorzufinden sind, jedoch kaum (noch) Vorfälle. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass es in diesen Regionen oft gelungen ist, eine vormalige Belastung durch demokratiefeindliche Bestrebungen einzuhegen und rechte Aktivitäten erfolgreich eingedämmt zu haben.

Was müsste geschehen, um auch dort erfolgreich Gegenwehr leisten zu können, wo dies bisher nur eingeschränkt möglich ist?
Insbesondere bei Typ 2 liegen schwierige Rahmenbedingungen vor, die sich durch die Veränderung politischer Machtverteilungen auch nochmals verschärfen könnten. Ebenso brauchen Regionen aus Typ 1 Aufmerksamkeit – herrscht hier teilweise vielleicht bloß eine vermeintliche Ruhe? In den Regionen beider Typen sollte die Zivilgesellschaft gezielt gestärkt und in ihrer Resilienz gefördert werden. Dazu könnte eine breitere Vernetzung, gegenseitiger Wissenstransfer und eine weitere Sensibilisierung von Akteurinnen und Akteuren staatlicher, zivilgesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Sphären gehören.

Es wird zudem nötiger denn je sein, insbesondere die Menschen vor Ort zur Aufnahme von demokratischen Diskursen und zum Einstehen für die Demokratie und demokratisches Engagement zu motivieren und noch breitere Allianzen zu schmieden. In Gebieten der "vermeintlichen Ruhe" in ländlichen Räumen gilt es, eine robuste Basis der demokratischen Gegenwehr und für eine kritische Auseinandersetzung mit einer schleichenden Normalisierung rechtsextremer Positionen zu erarbeiten.


Veröffentlicht im Februar 2024