Zwei schemenhafte Figuren praktizieren Kampfsport

Gegen Rechtsextremismus im Kampfsport

Das Modellprojekt "Vollkontakt – Demokratie und Kampfsport" klärt auf über zunehmende Verbindungen zwischen der extremen Rechten und dem Kampfsport.

Pinselstrich

Der Kampfsport nimmt in der extremen Rechten eine bedeutende Rolle ein. Gewalttraining hat in der Szene eine lange Tradition, Kampfsport dient dabei der Vernetzung untereinander und der Finanzierung politischer Aktivitäten durch Einnahmen aus dem Sport. Darüber hinaus liegt der extrem rechten Ideologie die Annahme zugrunde, Männlichkeit, Hierarchie und Identität lassen sich nur durch Kampf herstellen.

Das Projekt "Vollkontakt – Demokratie und Kampfsport" erkundet das Feld des Kampfsports und macht auf die zunehmenden Verbindungen zwischen der extremen Rechten und dem Kampfsport aufmerksam. Zu diesem Zweck stellen die Projektmitarbeitenden Informationen für Politik, Sport und Öffentlichkeit zur Verfügung, forschen zum Stand der Präventionsansätze im Kampfsport und unterstützen Interessierte bei der Entwicklung von Präventionsstrategien.

Extreme Rechte

Der Begriff "extreme Rechte" umfasst die Gesamtheit an menschen- und demokratiefeindlichen, autoritären Einstellungen, Organisationen und ihren Strategien, laut Monitoringbericht 2020.

Monitoring zur extremen Rechten im Kampfsport

Das jährlich erscheinende Monitoring des Modellprojekts dokumentiert die Entwicklung des Kampfsports in der extremen Rechten in Deutschland und in seinen europäischen Netzwerken. Dafür beschreiben die Projektmitarbeitenden sowohl zentrale Organisationen als auch verflochtene Netzwerke, greifen aktuelle Geschehnisse auf und analysieren prägende Ideologieelemente. An den dargestellten Entwicklungen regionaler, nationaler und europaweiter Netzwerke wird sichtbar, wie die extreme Rechte daran arbeitet, ihre Gewalt und strukturelle Organisation im Kampfsport zu professionalisieren.

Kontinuierliche Forschung zu Präventionsansätzen

Deshalb forschen die Projektmitarbeitenden in einer über fünf Jahre angelegten Gesamtstudie explorativ zum Stand der Präventionsaktivitäten im Kampfsport. In vier Teilstudien werden die für den Sport relevanten Ebenen der Verbände, Veranstaltenden, Kampfsport-Schulen, Jugendsozialarbeit, kommunalen Behörden und Sportpolitik mithilfe von leitfadengestützten Interviews analysiert.

Hierbei konzentrieren sie sich auf das immer populärer werdende Feld des Mixed-Martial-Arts (MMA) in Deutschland. MMA ist eine moderne Vollkontaktsportart, die Elemente unterschiedlicher Kampfsport-Disziplinen (wie Kickboxen und Judo) miteinander verbindet. Projektleiter Olaf Zajonc erklärt, dass die im MMA erlernten Kampftechniken zwar das Risikopotenzial tragen, von der extremen Rechten auch außerhalb des "sportiven Binnenraums als Mittel zur Gewalt- und Machtausübung" genutzt würden.

Dennoch dürften Kampfsportarten nicht per se als negativ bewertet werden. Sie "eröffnen vielfältige Möglichkeiten der intensiven Beziehungsbildung, zur Selbsterziehung und dem Umgang mit eigenen (unbewussten) Aggressions- und Gewaltpotenzialen", betont Zajonc. Verbote von Kampfsportarten wie MMA sind deshalb keine wirksamen Maßnahmen, um den Einfluss extremer Rechter und die von ihnen etablierten Strukturen effektiv zu bekämpfen. Hier setzt die Projektarbeit von "Vollkontakt" an und liefert wichtige Erkenntnisse, um wirksame Strategien entwickeln zu können.

Erkenntnisse der Projektarbeit

Die Kampfsport-Landschaft teilt sich auf in den organisierten Sport und den freien kommerziellen Anbietermarkt. "Jede Person hat die Möglichkeit hier ihre Leistungen anzubieten, egal in welchem politischen oder weltanschaulichen Kontext diese stehen", beschreibt Zajonc die Problematik. Durch die erste Teilstudie wurde deutlich, es fehlt an konzeptionellen Ansätzen, pädagogischen Maßnahmen und Bildungsangeboten zur Prävention von extrem rechter Gewalt auf der Ebene der MMA-Verbände sowie der Sportpolitik. Um Präventionsansätze im MMA voranzubringen, ist demnach zunächst eine verbandliche Strukturentwicklung und die Anerkennung von MMA als Sport von Bedeutung. Auch sollte der Anbietermarkt aus sportpolitischer Sicht stärker als eigenes Segment wahrgenommen werden, um sich den dortigen spezifischen Herausforderungen zuzuwenden.

Die zweite Teilstudie zeigt unter anderem auf, dass Kampfsport im Trainingsbetrieb insbesondere durch das Verhalten des Trainers/der Trainerin eine präventive Funktion entfalten kann. Denn sie besitzen eine Vorbildfunktion und Machtposition. Doch gibt es derzeit keine standardisierte Ausbildung von Trainerinnen und Trainern, die die pädagogische Eignung der Personen gewährleistet. Vielmehr entscheiden persönliche Beziehungen, Kontakte und Vertrauen der Studio-Betreibenden darüber, wer in den Schulen trainieren darf.

Potenziale und Grenzen möglicher Präventionsarbeit

Um präventiv gegen extrem rechte Gewalt beispielsweise im eigenen MMA-Studio zu wirken, ist die "Entwicklung und Etablierung einer Gym-Kultur der Anerkennung – jenseits harter-soldatischer Männlichkeitsideale – von zentraler Bedeutung. Mitentscheidend ist diesbezüglich die Darstellung der eigenen Werte nach Außen und nach Innen", sagt Zajonc. Dabei ist es für Studio-Betreibende hilfreich, ausgewählte Kooperationen einzugehen und früh allen Trainierenden, Trainerinnen und Trainern gegenüber klar die Regeln zu kommunizieren, welches Verhalten im Studio erwartet wird, wer dort trainieren darf und was zum Ausschluss führt.

Der Bedarf an Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung zu Themen wie Diskriminierung, Rassismus oder Förderung von Vielfalt ist über die Grenzen einzelner Disziplinen und Verbände hinweg groß, denn derzeit sieht es nicht danach aus, als gäbe es im MMA eine übergeordnete institutionelle Struktur, die Standards für Präventionsstrategien allgemein durchsetzen könnte.

"Das beste Mittel zu einem Kampfsport ohne Rechtsextremismus ist ein Kampfsport, der sich Vielfalt und Inklusion verpflichtet."

Projektleiter Olaf Zajonc

Das Projektteam konnte mit den Tagungen "Vielfalt im Kampfsport" ein breites Publikum erreichen und diesen Austausch vorantreiben. Denn "das beste Mittel zu einem Kampfsport ohne Rechtsextremismus ist ein Kampfsport, der sich Vielfalt und Inklusion verpflichtet", hebt Zajonc hervor. Umso wichtiger bleibt die kontinuierliche Arbeit und Forschung von "Vollkontakt", um gemeinsam mit den Verbänden, kommerziellen Anbietern und der Sportpolitik Präventionsansätze zu entwickeln. In den folgenden Teilstudien wird sich die Forschung dazu auch auf die Jugendsozialarbeit und die Situation im europäischen Ausland ausdehnen.


Veröffentlicht im Mai 2023