Zahlreiche Menschen stehen vor einem Haus, einige halten Roma-Flaggen

Filmprojekt "Amaro Filmos": Junge Roma und Romnja geben Einblicke in ihr Leben

Was bewegt junge Roma und Romnja in Berlin, mit welchen Herausforderungen und Diskriminierungen haben sie zu kämpfen? Im Film "Amaro Filmos" schildern sie ihren Alltag.

Pinselstrich

Im Dokumentarfilm "Amaro Filmos" ("Unser Film" auf Romanes) geben junge Roma und Romnja einen direkten Einblick in ihr Leben. Angeregt wurde der Film, der im Rahmen des Modellprojekts "WIR SIND HIER! Bildungsprogramm gegen Antiziganismus" entstand, durch Team-Mitglieder der Gangway Straßensozialarbeit, die in Kontakt mit den Bewohnern und Bewohnerinnen eines Wohnblocks in Berlin-Friedrichshain waren.

Nachdem zahlreiche aus Rumänien stammende Roma-Familien etwa zehn Jahre lang dort gelebt hatten, mussten sie ihre Wohnungen im Laufe des Jahres 2022 verlassen. Im Film kehren junge Mitglieder der Familien noch einmal an den Ort zurück, der für viele Jahre ihre Heimat war. Sie berichten über die Zeit, in der sie dort lebten, über ihr Ankommen in Deutschland, den für viele herausfordernden Anfang in der Schule und den Rassismus, dem sie häufig ausgesetzt sind, nicht zuletzt im Zuge der Kündigung ihrer Wohnungen.

Humor und Ernsthaftigkeit

Zur Zielsetzung von "Amaro Filmos" sagt Alexander Rönisch, Leiter des Modellprojekts "WIR SIND HIER!": "Der Film sollte in erster Linie jungen Roma und Romnja die Möglichkeit geben sich auszudrücken und ihre Themen, Gedanken und Wünsche zu äußern. Gleichzeitig wollten wir als Projekt den Film als 'Bildungstool' nutzen, um die nicht-Roma-und-Romnja Mehrheitsgesellschaft für Antiziganismus zu sensibilisieren. Uns war es wichtig mit Humor und Ernsthaftigkeit zu arbeiten, Stereotype zu dekonstruieren und dabei einen pädagogisierenden Blick zu vermeiden."

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Trailer und Vorstellungstermine mit anschließender Podiumsdiskussion

Zeichnung: Drei Mädchen schauen aufs Brandenburger Tor, jedes hat eine Rose in der Hand, das Mittlere hat eine Roma-Flagge über dem Rücken
Plakatmotiv des Films "Amaro Filmos", Bild: Fenia Franz

Dabei ist "Amaro Filmos" nicht der erste Film über die Bewohner und Bewohnerinnen. Schon 2018 standen junge Roma und Romnja aus dieser Gemeinschaft für das Projekt "Bei UNS ist das so!" vor der Kamera. Teilweise handelte es sich bei ihnen um ältere Geschwister und Nachbarn der Protagonistinnen und Protagonisten des aktuellen Films, der dieses Mal von Filmemacher Olad Aden, den Streetworkerinnen und Streetworkern von Gangway Friedrichshain sowie dem Projektteam von "WIR SIND HIER!" gestaltet wurde.

Vielfalt der Perspektiven

In "Amaro Filmos" wechseln sich Szenen, die von den Jugendlichen selbst gedreht wurden und die sie unter anderem beim Rappen und Herumalbern zeigen, mit Interviewsegmenten ab, in denen die Protagonisten von ihrem Alltag erzählen. Auch Aufnahmen von ihrem Engagement gegen Diskriminierung bei Kundgebungen, zum Beispiel anlässlich des Romadays, oder Improvisationstheater-Aufführungen werden gezeigt.

Auszeichnung

Am 14. September 2023 wurde das Projekt "WIR SIND HIER!" mit dem 1. Platz des Berliner Präventionspreises ausgezeichnet.

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"Uns war es wichtig mit Humor und Ernsthaftigkeit zu arbeiten, Stereotype zu dekonstruieren und dabei einen pädagogisierenden Blick zu vermeiden."

Alexander Rönisch, Bild: Jana Kießer

Alexander Rönisch

Zur Sprache kommt auch das Verhältnis von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern in ihrer Gemeinschaft, wobei die jungen Frauen entschieden Gleichberechtigung einfordern. Die im Film behandelten Inhalte wurden von den Projektverantwortlichen gemeinsam mit den Jugendlichen ausgewählt, so Rönisch:

"Hierbei wurde darauf geachtet, dass es eine Parität der Protagonistinnen und Protagonisten und einen ausgewogenen Redeanteil gibt. Auch inhaltlich war es uns wichtig die Vielfalt der Aussagen und Perspektiven abzubilden. Das letzte Wort hatten allerdings die Protagonistinnen und Protagonisten selber, die den Film zuerst in einem geschützten Rahmen gesehen haben und auf deren Änderungswünsche eingegangen wurde."

Stereotype dekonstruieren

Der Film zeigt somit die Community in ihrer ganzen Vielfältigkeit und demonstriert eindrücklich, dass es in ihr genau wie in der Mehrheitsgesellschaft unterschiedliche Meinungen, Einstellungen und Ansichten gibt. Das wird laut Rönisch auch vom Publikum der Aufführungen geschätzt: "Da wir jede Vorführung mit einer anschließenden Podiumsdiskussion durchführen, konnten wir an dieser Stelle mit dem Publikum in den Austausch gehen. Viele Menschen haben sich für neue Perspektiven bedankt und berichten regelmäßig von ihren Stereotypen, die durch den Film ein Stück weit dekonstruiert wurden."

Wenn alles klappt, wird "Amaro Filmos" auch nicht das letzte Filmprojekt der Community gewesen sein. Rönisch dazu abschließend: "Durch den Erfolg des Films, das Feedback aus der Community sowie die neuen Möglichkeiten, über Antiziganismus ins Gespräch zu kommen, sind wir sehr motiviert, einen Nachfolger zu produzieren. Uns interessieren besonders die Perspektiven der Eltern sowie der jüngeren Geschwister. Das Projekt 'WIR SIND HIER!' ist noch bis Ende des Jahres 2024 finanziert, was bedeutet, dass wir uns bald an die Arbeit machen müssten."


Veröffentlicht im April 2023

Dieser Beitrag ist Bestandteil des Themenmonats "Antiziganismus".