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Das Kompetenznetzwerk im Themenfeld Antiziganismus

Drei Organisationen setzen sich im Kompetenznetzwerk gemeinsam gegen Antiziganismus ein und arbeiten zusammen für eine gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Sinti und Sintizze, Roma und Romnja.

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Antiziganismus bezeichnet einen seit vielen Jahrhunderten bestehenden spezifischen Rassismus gegen Sinti und Sintizze, Roma und Romnja. Bis heute ist er in der Mehrheitsgesellschaft weit verbreitet und tief verwurzelt. Ein wichtiges Anliegen der Arbeit des Kompetenznetzwerks im Themenfeld Antiziganismus ist es, mit den über Jahrhunderte tradierten antiziganistischen Bildern zu brechen. Dafür wird es gegen stereotype Vorurteile und Ausgrenzung von Sinti und Sintizze, Roma und Romnja aktiv und setzt sich für ihre Gleichberechtigung und Teilhabe in einer pluralen Gesellschaft ein.

Im Kompetenznetzwerk arbeiten drei Netzwerkpartner Hand in Hand: Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V. ist Koordinierungsstelle des Netzwerks und für den Transfer der Inhalte, Methoden und Perspektiven in die bundesweite Präventionsarbeit zuständig. Im Interview erzählt Emran Elmazi, Projektleiter der Koordinierungsstelle, mehr über die Arbeit und die Herausforderungen des Kompetenznetzwerks im Themenfeld Antiziganismus.

Bitte beschreiben Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit mit Ihren aktuellen Themen, Plänen und Zielen für das kommende Jahr.
Die inhaltlichen Schwerpunkte in unserem Themenfeld bleiben zumeist gleich: Die kritische Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Dimensionen des Antiziganismus, die Verfolgungsgeschichte im Nationalsozialismus sowie die Geschichte der Bürgerrechtsarbeit von Sinti und Roma und das Empowerment junger Sinti und Roma. Zugleich prägen aktuelle Ereignisse auch immer wieder unsere Bildungsarbeit. So steht etwa die Situation der geflüchteten ukrainischen Roma derzeit immer wieder im Fokus.

Was sich mitunter stark verändert, ist die Zusammensetzung unserer Zielgruppe: Während lange Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der außerschulischen Bildungsarbeit im Mittelpunkt standen, kooperieren wir – in Form von langfristigen Fortbildungen und Ausstellungsprojekten – mit großen gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, wie dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei oder der Deutschen Bahn. Hier können wir unsere Themen und Ziele, allen voran die Prävention von Antiziganismus, über klassische zivilgesellschaftliche Kreise hinaus in die Breite der Gesellschaft tragen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ausweitung intersektionaler Perspektiven: Mit Akteurinnen und Akteuren anderer Handlungsfelder im Bundesprogramm "Demokratie leben!" gehen wir verstärkt Bündnisse ein und machen uns gemeinsam dafür stark, Komplexe wie Antiziganismus, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern möchten ihre Verschränkungen verstehen und jeder Form der Menschenfeindlichkeit entschlossen gemeinsam entgegentreten.

Wie sieht die Aufgabenteilung im Kompetenznetzwerk aus? Wodurch zeichnet sich die Zusammenarbeit aus?
Wertvoll an der Zusammenarbeit im Kompetenznetzwerk sind in erster Linie die unterschiedlichen Perspektiven der Netzwerkpartner: Während das Bildungsforum gegen Antiziganismus als Projekt des Dokumentationszentrums in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma steht und in seiner inhaltlichen Arbeit stark von Impulsen aus der Antiziganismusforschung geprägt ist, bringt Amaro Drom die Sicht junger migrantischer Roma mit ein, die sich nicht nur gegen Antiziganismus und Diskriminierung stark machen wollen, sondern auch den Anspruch erheben, unsere demokratische Gesellschaft positiv mitzugestalten. Die Evangelische Akademie zu Berlin wiederum ist ein starker Bündnispartner für die Verankerung des Themenfelds in der Breite der Gesellschaft und im Netzwerk ein großer Gewinn für die Erschließung neuer Zielgruppen, insbesondere in den Kirchen.

Ausstellung

Im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma wird in einer Dauerausstellung der Holocaust an der Minderheit aufgearbeitet.

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Ausstellung im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, Bild: Lars Kehrel

"Was die Netzwerkpartner eint, ist die Zielsetzung in der Sache: Der Einsatz gegen Antiziganismus und für eine gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Sinti und Roma in der deutschen Gesellschaft."

Emran Elmazi, Projektleiter

Foto von Emran Elmazi

Diese so unterschiedlichen Perspektiven und Ausgangspunkte in Einklang zu bringen, ist nicht immer ganz einfach, gelingt aber wegen der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Trägern. Was die Netzwerkpartner eint, ist die Zielsetzung in der Sache: Der Einsatz gegen Antiziganismus und für eine gleichberechtigte demokratische Teilhabe von Sinti und Roma in der deutschen Gesellschaft.

Wie hat sich für Sie der Weg vom Kompetenzzentrum zu einem Kompetenznetzwerk gestaltet?
Mit Amaro Drom besteht bereits seit einigen Jahren eine erprobte enge Zusammenarbeit, deshalb war die Erweiterung zum Kompetenznetzwerk durch die Aufnahme von Amaro Drom nicht mit großen Herausforderungen verbunden, auch wenn der Koordinierungsaufwand natürlich gewachsen ist. Auch mit dem Netzwerk Sinti, Roma und Kirchen beziehungsweise mit der Evangelischen Akademie zu Berlin gab es in den letzten Jahren immer wieder eine punktuelle Zusammenarbeit, die eine gute Grundlage für die Aufnahme dieses neuen Partners ins Kompetenznetzwerk darstellt. Aus Sicht des Bildungsforums ist die Erweiterung des Kompetenznetzwerks auf nunmehr drei Partner daher zu begrüßen und das Zusammenwachsen des Netzwerks ist weit vorangeschritten.

Was bedeutet es für Ihre Arbeit, dass es seit einem Jahr einen Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintizze sowie Roma und Romnja in Deutschland gibt?
Insgesamt registrieren wir seit Veröffentlichung des Berichts der Unabhängigen Kommission Antiziganismus und dem Amtsantritt von Dr. Mehmet Daimagüler eine verstärkte Aufmerksamkeit für das Themenfeld, die uns sehr freut. Diese macht sich bemerkbar in einer erhöhten Anzahl von Anfragen zu unseren Bildungsangeboten. Dort wo wir in der Vergangenheit verstärkt an mögliche Kooperationspartner herantreten mussten, stellen nun zivilgesellschaftliche und staatliche Akteurinnen und Akteure vermehrt selbst Fortbildungsbedarf fest und wenden sich initiativ an uns. Das gilt auch für Medienschaffende: gerade junge Vertreterinnen und Vertreter der Medien treiben eine (rassismus-)kritische Berichterstattung zu Antiziganismus und Sinti und Roma in Deutschland voran.


Veröffentlicht im April 2023

Dieser Beitrag ist Bestandteil des Themenmonats "Antiziganismus".