Mehrere aufeinandergelegte Hände

Ausgrenzung und Abwertung – Antiziganismus in der Berichterstattung

Die Übernahme von unreflektierten Vorurteilen gegenüber Romnja und Roma, Sintizze und Sinti in den Medien führt zu einer verzerrten Sichtbarkeit und Verstärkung von Stereotypen.

Pinselstrich

Vorurteile und Stereotype gegenüber Minderheiten sind in der Gesellschaft immer noch stark verankert, weshalb sie auch in Zeitungen oder Medienbeiträgen zu finden sind. Für einige Menschen hat dies bedrohliche Auswirkungen, denn sie sind dadurch rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt. Romnja und Roma, Sintizze und Sinti gehören zu den Menschen, die in Medienbeiträgen vor allem in negativen Kontexten genannt werden und von den Auswirkungen betroffen sind.

Sensibilisierung und Selbstreflexion

Das Modellprojekt "Diversity in Media" des Amaro Foro e. V. unterstützt darum Medienschaffende bei der Berichterstattung rund um die Themen Antiziganismus sowie Lebensrealität von Romnja und Roma, Sintizze und Sinti. In Workshops, Blattkritiken und Hintergrundgesprächen geht es um die Sensibilisierung von Journalistinnen und Journalisten, die einerseits ihr Wissen vertiefen und andererseits sich selbst hinterfragen können. "Oft werden Stereotype und Vorurteile nicht reflektiert", sagt Projektleiterin Andrea Wierich. "Diese werden dann schnell durch die Berichterstattung aufgegriffen und befeuert." Das einzige Problem ist dabei nicht die Verwendung der antiziganistischen Fremdbezeichnung, sondern vielmehr die Gefahr, dass durch unreflektierte Beiträge Vorurteile reproduziert und weiterverbreitet werden.

Wenn es in Medienberichten um Obdachlosigkeit oder Kriminalitätsdelikte wie Taschendiebstahl geht, kann es durchaus passieren, dass den beteiligten Personen eine Roma-Identität allein aufgrund ihres Erscheinungsbilds zugeschrieben wird. "Journalistinnen und Journalisten scheint oft nicht bekannt zu sein, dass die Roma-Zugehörigkeit nicht erfasst wird und eine Frage der Selbstdefinition ist", sagt Andrea Wierich. Das bedeutet, Beteiligte müssen gefragt werden, ob sie sich beispielsweise als Roma identifizieren. "Und dann wäre die nächste Frage: Ist die ethnische Zugehörigkeit inhaltlich relevant für den Artikel?"

Diversity in Media

Die Angebote von Diversity in Media setzen einen Schwerpunkt auf Diskussion und Austausch über Antiziganismus. Dabei wird der Fotopool des Amaro Foro e. V. stetig erweitert.

Notizblock mit Stift auf dem das Logo von Amaro Foro e. V. und (verschwommen) das Logo von "Demokratie leben!" steht
Bild: Sarah Eick, Amaroforo.de

"Man kann den eigenen Text überprüfen: Arbeite ich mit Formulierungen, die ich für mich selbst nicht verwenden würde? Nutze ich Bilder oder Formulierungen, die die Grenze des Voyeurismus überschreiten? Habe ich mit Betroffenen gesprochen? Ist die ethnische Zugehörigkeit für die Zusammenhänge im Beitrag relevant?"

Andrea Wierich (links), Projektleitung "Diversity in Media" | Medienteam, Bild: Sarah Eick, Amaroforo.de

Aufnahme von drei Frauen

Die Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) von Amaro Foro hat erfasst, dass Medien eine bedeutende Rolle im Themenfeld Antiziganismus spielen, da vor allem eine negative Berichterstattung erfolgt und es kaum empowernde Beiträge gibt. Letztlich kann dies zu einer verzerrten Wahrnehmung der Lebensrealität der ethnischen Minderheit führen. "Die Mechanismen der Abwertung und Ausgrenzung werden auch dann immer weiter ausgeprägt, wenn es sich um vermeintlich wohlwollende Aussagen handelt", sagt Marie Heinrichs, Pressereferentin von "Diversity in Media". Im Rahmen einer Berichterstattung über geflüchtete Menschen aus der Ukraine hieß es beispielsweise, dass alle willkommen seien – Akademiker genauso wie Roma. "Dieser Satz ist in der Redaktion niemanden aufgefallen, als ob Roma-Zugehörigkeit und Hochschulabschluss sich gegenseitig ausschließen", ergänzt Andrea Wierich.

Antiziganismus in Bildern 

Dabei fängt eine sensible und diskriminierungsfreie Berichterstattung mit Fragen an. "Man kann den eigenen Text überprüfen: Arbeite ich mit Formulierungen, die ich für mich selbst nicht verwenden würde? Nutze ich Bilder oder Formulierungen, die die Grenze des Voyeurismus überschreiten? Habe ich mit Betroffenen gesprochen? Ist die ethnische Zugehörigkeit für die Zusammenhänge im Beitrag relevant?" Das Team von "Diversity in Media" unterstützt Journalistinnen und Journalisten kostenlos durch Workshops und bei konkreten Fragen. Zudem werden Fotos für redaktionelle Beiträge bereitgestellt, denn auch visuell wird immer noch ein negatives Bild gefestigt. Oftmals zeigen Fotos unter dem Schlagwort Roma eine anonyme Gruppe, die sich mit vielen Kindern draußen aufhält – meist noch in der Nähe von Müll. Das sind Bilder, die im Gedächtnis bleiben. Marie Heinrichs dazu: "Es ist eine Abwägung wichtig, wenn Diskriminierung und deren Folgen thematisiert werden. Manches muss auch skandalisiert werden, aber wer journalistisch arbeitet, sollte sich fragen: Welches Bild verwende ich für meinen Artikel, das dadurch mit dem Schlagwort Roma verbunden wird?"

Dennoch sieht das Team von "Diversity in Media" ein wachsendes Problembewusstsein und eine Veränderung in der Berichterstattung, so wird unter anderem die antiziganistische Fremdbezeichnung kaum noch verwendet. Das ist vor allem Roma-Selbstorganisationen zu verdanken, die um mehr Sichtbarkeit kämpfen und gegen Klischees und Stereotype vorgehen. Es gibt auch empowernde Beispiele in der Berichterstattung, unter anderem über die Teams der Selbstorganisationen oder den Weltromatag. "Trotzdem werden immer noch häufig soziale und strukturelle Probleme in Zusammenhang mit einer Roma-Zugehörigkeit gebracht, auch wenn dieser nicht da ist", so Andrea Wierich. Mit Blick auf das bisherige Medienmonitoring ist der Weg zu einer diskriminierungsfreien Berichterstattung noch sehr lang.


Veröffentlicht im April 2023

Dieser Beitrag ist Bestandteil des Themenmonats "Antiziganismus".