Mehrere Workshop-Teilnehmende halten ihre Workshopergebnisse in die Kamera und lachen.

Prävention und Empowerment: Von Jugendlichen für Jugendliche

Junge Menschen aus benachteiligten Milieus finden beim Verein 180 Grad Wende Orientierung und Halt. Gleichzeitig werden sie empowert, ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Menschen aus ihrem sozialen Umfeld weiterzugeben.

Pinselstrich

Der 180 Grad Wende e. V. engagiert sich mit Präventions- und Empowermentprojekten für die Chancengleichheit junger Menschen muslimischen Glaubens sowie aus marginalisierten Communitys. In seinem Netzwerk aus ehrenamtlich Engagierten, Fachkräften und Institutionen gelingt es dem Verein mit niedrigschwelliger Projektarbeit und individuellen Beratungsangeboten, diesen Jugendlichen neue Perspektiven aufzuzeigen.

Mimoun Berrissoun, Geschäftsführer und Gründer, beschreibt die herausfordernde Lebensrealität der Zielgruppe: "Junge Menschen, die in prekären sozialen Verhältnissen aufwachsen, sind von vielfältigen Problemlagen betroffen. Dazu gehören beispielsweise Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Oftmals bilden sie eigene Räume des sozialen Rückzugs, in denen (staatliche) Unterstützungsangebote keinen Anklang finden." Dies kann sie anfällig für extremistische Narrative und Gruppen machen.

Selbsthilfe aus der Community heraus

Um diese gefährdeten jungen Menschen zu erreichen, hat 180 Grad Wende einen Ansatz entwickelt, bei dem Gleichaltrige – sogenannte Peers – aus dem nahen Umfeld der Jugendlichen niedrigschwellig in die Präventionsarbeit eingebunden werden. Die Peers werden zunächst in Workshops von Fachkräften sensibilisiert, Gefährdungen in der Lebenswelt der Jugendlichen zu erkennen und können so bei auftretenden Schwierigkeiten frühzeitig eingreifen und helfen. Sie vernetzen sich zudem miteinander, teilen ihr erlerntes Wissen mit den gefährdeten Jugendlichen und stehen ihnen so empowernd zur Seite. Dabei werden Probleme klar benannt und auf Augenhöhe thematisiert, um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Mit diesem Ansatz schafft 180 Grad Wende Zugänge zu den Jugendlichen und fängt sie innerhalb ihrer eigenen Community auf. "Einige der zuvor gefährdeten jungen Menschen werden nach gelungener sozialer Integration selbst in dieses Netzwerk integriert, in dem sie dann wiederum anderen jungen Menschen helfen können", sagt Mimoun Berrissoun. "Es entsteht eine dynamische Auffangbewegung, die weitere junge Menschen anzieht."

Seit der Gründung 2012 ist der für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnete Verein stetig gewachsen. Der breite Zusammenschluss aus Engagierten, Unterstützenden und Kooperationspartnerinnen und -partnern umfasst mittlerweile mehr als 41 Wirkungsorte in Nordrhein-Westfalen. "Demokratie leben!" fördert zwei der größten Projekte des Vereins in der Extremismusprävention, die den oben ausgeführten Ansatz umsetzen: "180° Wende-Punkt" und "180° Wende Keepers A(ction)".

Wendepunkt und Keepers

Im Modellprojekt "180° Wende-Punkt" baut der Verein ein lokales Hilfsnetzwerk in Köln und Umgebung auf. Dieses organisiert sich in der Beratungsstelle Wendepunkt in Köln-Kalk, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen geschützten Raum bietet, in dem sie zu Workshops, Freizeit- und Beratungsangeboten zusammenkommen. Getragen wird dieses Angebot von ehrenamtlichen Coaches und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, deren "Ausbildungen das Herzstück der 180 Grad Wende sind", sagt Mimoun Berrissoun.

180 Grad Wende

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blaue Schriftgrafik: 180 Grad Wende
Zwei junge Männer sitzen zusammen an einem Laptop.
Beratungssituation im Wendepunkt, Bild: 180 Grad Wende

In dem Modellprojekt "180° Wende Keepers A(ction)" wird der Ansatz, der sich in Köln und Umgebung bewährt hat, in andere Städte Nordrhein-Westfalens (NRW) übertragen. Die Keepers Kompetenzstelle NRW koordiniert dafür einen breiten Verbund aus ehrenamtlich Engagierten – sogenannten Keepers. "Keepers sind ehrenamtlich engagierte Personen aus der Community, die dazu befähigt werden, ein eigenes lokales Präventionsprojekt bei sich vor Ort aufzubauen. Von der Keepers Kompetenzstelle werden sie für ihr Engagement qualifiziert, beraten und begleitet – bis hin zum eigenen Projekt", erklärt Mimoun Berrissoun. Zuletzt wurden beispielsweise 49 junge Frauen ausgebildet, die eigene Gesprächsgruppen als geschützte Räume in ihren jeweiligen Wirkungsorten aufbauen und leiten. In dem NRW-weiten Netzwerk können sich diese Frauen und die vielen anderen engagierten Ehrenamtlichen über ihren Projektfortschritt austauschen, sich gegenseitig inspirieren und voneinander lernen.

Mehrere junge Frauen stehen zusammen, freuen sich und halten Mappen unter ihren Armen.
Keepers Qualifizierung zur Empowerment-Trainerin im Mai 2022, Bild: 180 Grad Wende

Die Keepers Kompetenzstelle NRW ist zu einer etablierten Fachstelle geworden, die professionelle Unterstützung für die Umsetzung eigener Engagement-Ideen bietet. Gleichzeitig ist sie zentrale Beratungsstelle für Schulen, Kommunen und Einzelpersonen bei Fragen rund um das Thema Radikalisierungsprävention. Ein starker Verbund, in dem sich thematisch und methodisch unterschiedliche Kleinprojekte organisieren und sich präventiv aus der eigenen Community heraus engagieren.

Der Verein gewinnt stetig neue Engagierte dazu: Auf der Feier zum 10-jährigen Bestehen fragte das Team um Mimoun Berrissoun seine Wegbegleiterinnen und -begleiter: Was bedeutet 180 Grad Wende für dich? Die häufigste Antwort: Familie.

Weiterführende Informationen:


Veröffentlicht im August 2023