Die Illustration zeigt eine verschlossene Holztür neben einem Schild der Synagoge.

Den Anschlag von Halle in der Bildungsarbeit behandeln

Der antisemitische Anschlag in Halle jährte sich im Oktober 2021 zum zweiten Mal. Um diesen in der Bildungsarbeit behandeln und einordnen zu können, erstellte das Modellprojekt "Couragiert vor Ort – Gemeinsam Antisemitismus entgegentreten" eine Handreichung.

Pinselstrich

Verschwörungserzählungen mitsamt ihren antisemitischen Aussagen haben in der Pandemie an Zulauf gewonnen. Zwischen dem 17. März 2020 und dem 17. März 2021 erfasste der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus 561 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Corona. Bei 57,7 Prozent sei es um antisemitische Äußerungen auf Demos und Versammlungen gegangen. 22,8 Prozent der Vorfälle seien online passiert. Im antisemitischen Verschwörungsdenken werden neben klar antisemitisch identifizierbaren Aussagen auch antisemitische Codes verwendet, die oftmals schwer zu entschlüsseln sind.

Genau dort setzt das Modellprojekt "Couragiert vor Ort – Gemeinsam Antisemitismus entgegentreten" an. Es zielt auf die Bearbeitung von und Sensibilisierung für Mehrfachdiskriminierung, insbesondere für Antisemitismus in seinen Ausprägungen und führt verschiedene Bildungsveranstaltungen für Jugendliche, junge Erwachsene und pädagogisches Fachpersonal durch.

Antisemitismus in der Bildungsarbeit behandeln

Im Rahmen ihrer Arbeit begegnen den Projektmitarbeitenden regelmäßig antisemitische Bilder, Stereotypen und judenfeindliche Aussagen in Schulklassen. Die Schülerinnen und Schüler thematisieren dabei auch oft direkt den antisemitischen Anschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle an der Saale, bei dem ein Attentäter versuchte, 51 Menschen in einer Synagoge am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu töten. Der Attentäter schaffte es nicht in die Synagoge einzudringen, doch auf seiner Flucht attackierte und verletzte er mehrere Menschen und erschoss zwei Personen.

Um den Anschlag in der Bildungsarbeit angemessen behandeln und einordnen zu können und dabei die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, haben die Mitarbeitenden des Modellprojekts eine Handreichung erstellt. Sie richtet sich an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Bildungsarbeit, Lehrkräfte und Interessierte und soll auch die besondere Bedeutung und gegenwärtige Gefahr des Antisemitismus in den Fokus rücken. Die Handreichung zeichnet die Chronologie der Ereignisse nach, gibt Aufschluss über die antisemitische Motivlage des Täters und gibt vor allem den Betroffenen Raum für ihre Perspektive. Eine Verortung des Anschlags in den weltweiten Rechtsterrorismus fügt diesen in die Entwicklungen regional und global ein.

Argumentationshilfen für die Bildungsarbeit

Neben der Wissensvermittlung bietet die Handreichung auch Argumentationshilfen, um Aussagen zu dem Anschlag begegnen zu können. Diese basieren auf Äußerungen von Schülerinnen und Schülern, die während eines Projekttags des Modellprojekts gefallen sind. So wie beispielsweise: "'Ballerspiele' sind schuld am Anschlag." Diese entkräftet die Handreichung mit dem Verweis auf mehrere Studien, die ergaben, dass Empathieverlust und autoritäre Denkweisen nicht per se mit der Nutzung von "Ballerspielen" einhergehen. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang. "In 'Killerspielen' lernt man nicht, wie man reale Waffen hält und wie man mit diesen schießt."

Auch auf die Aussage der "Attentäter war ein verwirrter Einzeltäter und psychisch krank" entgegnet die Handreichung: Das Gericht hat die absolute Schuldfähigkeit des Täters festgestellt. Er war sich seiner Tat bewusst und konnte die Folgen seines geplanten Attentats abwägen. Vorbilder fand er im Internet. Dort tauschte er sich mit Rechtsradikalen über ihre verschwörungsideologischen Phantasien und Gewalttaten aus, sie gaben sich Tipps und bestärkten sich gegenseitig in ihrem Hass.

Kein Platz für Antisemitismus in Halle

Die Handreichung dient durch ihren vielfältigen Ansatz neben der Wissensvermittlung und den Argumentationshilfen auch der Aufarbeitung des Anschlags in Halle. Vor Ort arbeiten eine Vielzahl an Projekten an der Aufarbeitung der Geschehnisse und engagieren sich präventiv gegen Antisemitismus und Rassismus. Zu ihnen gehören unter anderem das Modellprojekt "JugendStil" der Stiftung Bürger für Bürger und die  Partnerschaft für Demokratie "HALLIANZ für Vielfalt". Einen Einblick in die Arbeit dieser Projekte bietet der Film "Auf Demokratietour durch Halle (Saale)" .


­­­­­­­Veröffentlicht im Oktober 2021