Lanre Aranmolate interviewt Jumai Naomi.

"Wo kommst du eigentlich her?"

Rassismus gegen Schwarze Menschen ist allgegenwärtig. Im Kurzfilm "Schwarze Perspektiven" sprechen Schwarze Menschen aus Witten über Rassismus, Racial Profiling, die deutsche Kolonialgeschichte und erklären, warum die "Black Lives Matter"-Bewegung als Anfang für ein gesellschaftliches Umdenken zu verstehen ist.

Pinselstrich

Die Bewegung "Black Lives Matter" begann bereits im Sommer 2013 als in den USA der unbewaffnete 17-jährige Schüler Trayvon Martin erschossen und der Täter freigesprochen wurde. Der gewaltsame Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz am 25. Mai 2020 hat erneut die Menschen weltweit schockiert. Seither ist "Black Lives Matter" eine weltweite Bewegung geworden, in der sich Menschen gegen die Diskriminierung von Schwarzen Menschen einsetzen und auf Probleme wie Racial Profiling, Polizeigewalt und Rassismus aufmerksam machen.

Alltagsrassismus mitten in Deutschland

Witten – mitten im Ruhrgebiet. Doch auch in Witten erleben Schwarze Menschen Alltagsrassismus, wie der Kurzfilm "Schwarze Perspektiven" eindrücklich darstellt.

Er portraitiert sechs Schwarze Menschen, die in Witten leben, studieren oder arbeiten. In dem Film kommen sie zu Wort: Wie sieht ihre Lebensrealität aus? Sind sie von Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt betroffen? Wenn ja, was macht das mit ihnen? Der Kurzfilm geht auf diese Fragen ein, indem er Menschen portraitiert, die ihren Weg gehen: als Musiker und Künstler, Erzieherin, Mediziner, Studentin oder Solartechniker.

Im Sommer 2020 hatte die Filmemacherin Andrea Lötscher die Idee, einen Film zum Thema "Black Lives Matter" zu drehen. Da sie bereits mehrere Filme im Rahmen der Vorgängerprogramme von "Demokratie leben!" umgesetzt hatte, fanden die Partnerschaft für Demokratie in Witten und die Filmemacherin schnell zueinander. Andrea Lötscher kannte Lanre Aranmolate bereits aus ihrer Arbeit zu dem Film "Weltweit-Weltnah. Zur Integration gehören immer zwei", in dem sie den damals 18-jährigen zu Rassismus und Heimatgefühl interviewte. Zusammen entwickelten sie das Konzept für den Kurzfilm "Schwarze Perspektiven". Andrea Lötscher übernahm Regie, Kamera und Schnitt und Lanre Aranmolate führte die persönlichen Interviews.

Racial Profiling und Stereotype

Dike Uchegbu macht gern Musik, am liebsten Hip-Hop. Er gehörte mit zu den Ersten, die auf Deutsch Hip-Hop machten. Die Musik seines Albums "Pottpüree" gibt dem Kurzfilm eine besondere Atmosphäre. Dike Uchegbu ist in Deutschland geboren. "Wo kommst du her?" ist jedoch die Frage, die ihm am häufigsten gestellt wird, berichtet er. Natürlich weiß er, dass diese Frage nicht unfreundlich gemeint ist, leider wirkt sie aber auf ihn so. "Lasst es einfach, diese Frage zu stellen. Sie ist auch nicht gut gemeint", fasst Dike Uchegbu zusammen.

Mehr über den

Kurzfilm: "Schwarze Perspektiven"

Lanre Aranmolate interviewt Jumai Naomi.
Dreharbeiten zu dem Kurzfilm "Schwarze Perspektiven", Bild: Mondrosen.Dokumentarfilme
Dike Uchegbu spricht und lächelt.
Dike Uchegbu, Bild: Filmstill aus "Schwarze Perspektiven".

Er wird oft von der Polizei kontrolliert – aufgrund seiner Hautfarbe, wie er sagt. Dike Uchegbu berichtet, dass er in eine Polizeikontrolle geriet, als er eine Freundin vom Bochumer Hauptbahnhof abholen wollte. Angeblich wollten die Polizeibeamten illegale Einwanderer finden. Nach dieser Polizeikontrolle hat Dike Uchegbu beim Oberverwaltungsgericht in Münster geklagt – wegen Racial Profiling und er hat Recht bekommen. Seine Klage hat zudem bewirkt, dass die Polizei fortan solche Kontrollen rechtfertigen muss. "Es ist wichtig, aufzustehen und zu sagen: das ist nicht korrekt, so wie es läuft", sagt Dike Uchegbu.

Rassismus ist Gewalt

Jumai Naomi studiert Psychologie und arbeitet in der Jugendhilfe und auch sie erlebt regelmäßig Rassismus aufgrund ihrer Hautfarbe. Sie wurde im Supermarkt an der Kasse von einem Kunden als Sklavin beschimpft und war verletzt, weil niemand einschritt und ihr half. "Rassismus ist Gewalt, der ich einfach so ausgeliefert bin und gegen die es kein Gesetz gibt", sagt Jumai Naomi. Sie wünscht sich ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu sein.

Jumai Naomi lächelt und reicht dem Betrachtenden des Fotos die Hand.
Jumai Naomi, Bild: Filmstill aus "Schwarze Perspektiven".

Jumai Naomi fordert: Redet in der Schule über die schwarze Geschichte, über die deutschen Kolonien. Die "Black Lives Matter"-Bewegung findet sie empowernd. "Mit Menschen deiner Hautfarbe zu gehen und zu schreien und zu rufen und zu singen – es war wunderbar!" Und sie ergänzt: "Wir müssen eine Welt schaffen, eine Welt in der wir keine Angst haben müssen."

"Positiver" und "negativer Rassismus"

Lanre Aranmolate studiert ebenfalls Psychologie an der Universität Witten/Herdecke und steht kurz vor seinem Abschluss. In seiner Bachelorarbeit forschte er zum Thema "Das Erleben von Schwarzen People of Color in Bezug auf Positivrassismus" und beschäftigte sich mit "positiven" und "negativen Rassismus". Beide Rassismen arbeiten mit Stereotypen und entindividualisieren. Lanre Aranmolate kam in seiner Bachelorarbeit zu der Erkenntnis, dass Schwarze Menschen sowohl "positiven" als auch "negativen Rassismus" als entmenschlichend und verletzend wahrnehmen.

Lanre Aranmolate erzählt weiter aus seinem Alltag. "Weiße Menschen sehen mich überhaupt nicht als Mensch, sondern als typisch stereotypischen Schwarzen, wenn ich erzähle, dass ich gern trommle und Basketball spiele und gut in Leichtathletik bin. Deshalb lass ich das inzwischen einfach weg."

Lanre Aranmolate lächelt in die Kamera.
Lanre Aranmolate, Bild: Filmstill aus "Schwarze Perspektiven".

Den Filmschaffenden war es wichtig, auch ein Schlaglicht auf die deutsche Kolonialgeschichte zu werfen. "Das Aufwachsen als schwarzer Deutscher in Deutschland geht mit sehr viel Schmerz einher", berichtet der angehende Psychologe. "Rassismus lehrt, dass Schwarze und andere People of Color weniger wert sind als weiße Menschen und weiße Menschen mehr wert als People of Color. Diese Rassentheorien dienten als Fundament für die koloniale Ausbeutung des afrikanischen Kontinents. Schwarze wurden als untermenschlich und animalisch, als tierähnlich, angesehen. Diese Annahmen halten sich bis zum heutigen Zeitpunkt sehr stark."

Michelle Lebang sitzt auf einem gelben Sofa und spricht.
Michelle Lebang, Bild: Filmstill aus "Schwarze Perspektiven".

Black Lives Matter

Michelle Lebang kam vor vielen Jahren nach Deutschland und hatte zuerst Schwierigkeiten in Witten Fuß zu fassen. Über die "Black Lives Matter"-Bewegung sagt sie: "Die sollen uns achten. Black Lives Matter. Weil unser Leben auch wichtig ist." Dies sehen Andrea Lötscher und Lanre Aranmolate auch als Botschaft des Films – Black Lives Matter. Lanre Aranmolate fasst eindrücklich zusammen: "Mit der 'Black Lives Matter'-Bewegung nehmen wir Schwarze unser Schicksal in die Hand und wir erleben ein Empowerment, was wir vorher noch nicht in dieser Intensität erlebt haben."