Eine Bank unter einem Baum

"Unser Dialekt ist eine Art von Fremdsprache" – Der Mundart-Wanderweg Mengerskirchen

Vielfalt beginnt vor der Haustür, das zeigt der Mundart-Wanderweg in Mengerskirchen, der Heimatverbundenheit mit Weltoffenheit verbindet.

Pinselstrich

5.679 Einwohner zählt das hessische Mengerskirchen. Mit dem neu eingerichteten Mundart-Wanderweg lädt die dortige Partnerschaft für Demokratie dazu ein, Vielfalt bereits vor der eigenen Haustür zu entdecken. Denn schon in den Ortsteilen der kleinen Gemeinde lässt sich hören, dass überall ein wenig anders gesprochen wird. "Unser Dialekt ist eine Art von Fremdsprache" heißt es auf dem Flyer zum Wanderweg. Bei der Umsetzung hat die Partnerschaft für Demokratie den Verein "Eine Welt für alle" unterstützt, Vorbild war ein Projekt aus dem Odenwald.

20 Stationen mit Mundart-Clips

Diese Vielfalt im Kleinen können Wandernde an den 20 Stationen des Mundart-Wanderwegs erleben, wenn sie ihre Handys zücken und einen QR-Code scannen, woraufhin jeweils ein mehrminütiger Audio-Clip ertönt.

An Station 1 kann das Handy noch in der Tasche bleiben, denn hier werden die Wandernden von einer sogenannten Babbelbox empfangen. Die schuhkartongroße Kiste verfügt über einen Lautsprecher und lässt so gleich mehrere Mundart-Clips erklingen, die das Projekt erläutern.

Entlang des Wanderweges stellen Bürger und Bürgerinnen aus Mengerskirchen sich und ihre Heimat in der Mundart Westerwälder Platt vor. Die nötige Zahl an Dialektsprecherinnen und Dialektsprechern zu versammeln, ging dabei recht schnell, so Herbert Schuld, Vorsitzender des Vereins "Eine Welt für alle".

Gefunden wurden sie zum Beispiel in der Mundartgruppe, der Gesangsgruppe oder im Heimatmuseum. Sie erzählen Wissenswertes über Sehenswürdigkeiten in der Region wie die Kapelle Seeweiher, das Turmmuseum oder die Knotenalm.

5 Ortsteile mit eigenem Dialekt

In jedem der Ortsteile Dillhausen, Mengerskirchen, Probbach, Waldernbach und Winkels hat das jeweils eine individuelle Färbung. Dadurch unterscheidet sich nicht nur der Inhalt der Audio-Clips von Station zu Station, auch der Dialekt verändert sich im Lauf der Wanderung.

Mundart-Clip des QR-Codes

So werden zum Beispiel Kartoffeln in einem Ortsteil "Kartoffeln" genannt, in einem anderen "Äppel", von "Erdäpfel" abgeleitet, wie im oben verlinkten Clip erklärt wird. Hosenträger heißen hier "Buxedrehscher", dort "Buxegehenker" oder sogar "Außel". Die Herkunft der letzten Bezeichnung kann sich allerdings niemand erklären.

Viele der mannigfaltigen Unterschiede zeigen sich dabei nur in Feinheiten: Die Schule wird mal "Schuul" ausgesprochen, mal "Schurl". Hörerinnen und Hörer brauchen also ein feines Ohr.

Lob für die Vielfalt

Die Rückmeldungen zum Wanderweg sind äußerst positiv, wie Herbert Schuld berichtet. Und zwar nicht nur von heimischen Wandernden, sondern auch von Wanderinnen und Wanderern aus der Ferne. Das passt zum Leitsatz des Projekts, "Hej sei mer dehamm, owwer ehm Kopp sei mer Weltviehl!": "Hier sind wir zu Hause, aber im Kopf sind wir Weltvögel".

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Region demonstrieren mit ihren Beiträgen, dass Vielfalt überall erlebt werden kann und auf jeden Fall eine Bereicherung darstellt. Auf insgesamt 22 Kilometern, die sich auch in vier Teilstrecken bewältigen lassen, verbinden sich Abwechslungsreichtum beim Wandern und in der Sprache zu einem erkenntnisreichen Erlebnis.


Veröffentlicht im September 2021