Zeichnung: Ein Baum mit der Aufschrift "ALTE LINDE" und zwei Hinweisschilder

Friedlicher Protest oder Randale? Das Planspiel "Alte Linde"

Im Konflikt um ein Kulturzentrum, das durch Gentrifizierung vom Abriss bedroht ist, können Jugendliche und junge Erwachsene üben, Kompromisse zu finden.

Pinselstrich

Die "Alte Linde" soll weg! Jahrzehntelang bot das alternative Kulturzentrum Vereinen, Jugendgruppen und Familien einen selbstverwalteten Ort für vielfältige Aktivitäten. Nun soll es abgerissen werden, um dort Wohnungen und ein Einkaufszentrum zu bauen. "Nicht mit uns!", sagen seine Nutzerinnen und Nutzer. Nur: Was tun?

Das ist das Szenario für das Planspiel "Alte Linde. Urbane Rückzugsräume schützen! Aber wie?". Mit ihm können sich die Teilnehmenden dem Thema Gentrifizierung spielerisch nähern, ohne dabei den Ernst des Problems zu vernachlässigen. Entwickelt wurde es von der Bundesfachstelle Linke Militanz des Instituts für Demokratieforschung an der Georg August Universität Göttingen in Zusammenarbeit mit der CIVIC GmbH – Institut für internationale Bildung. Die Bundesfachstelle ist im Bundesprogramm "Demokratie leben!" gleichzeitig das Kompetenzzentrum im Themenfeld Linksextremismus.

Das Planspiel

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Planspiels übernehmen die Rollen verschiedener Nutzer und Nutzerinnen der "Alten Linde", die allesamt gegen den Abriss protestieren wollen. Die maximal 30 Rollen gehören zu 11 Interessengruppen, wie zum Beispiel Klimaschützende, Linksautonome und eine christliche Jugendgruppe, und haben ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, welcher Protest angemessen ist. Die Bandbreite reicht von Demonstrationen über Spendenaktionen und eine Besetzung bis hin zu Randalen und Brandstiftung. Auf der Jahresversammlung der "Alten Linde" kommen die Gruppen nun zusammen, um das weitere Vorgehen zu planen.

In mehreren Runden entwickeln die Teilnehmenden ihre Positionen und Argumente, bevor schließlich eine Abstimmung über das Vorgehen erfolgt. Abgeschlossen wird das Planspiel mit einer Reflexionsrunde.

Das Lernziel

Konzipiert ist das Planspiel für Schülerinnen und Schüler ab der neunten Klasse oder Jugendliche in der außerschulischen Bildung ab 14 Jahren. Das Ziel des Spiels ist es dabei nicht, eine für alle befriedigende Lösung zu finden. Die Teilnehmenden sollen vielmehr erkennen, dass es zwar schwierig, aber auch notwendig ist, Kompromisse zu finden, wenn unterschiedliche Ansichten aufeinandertreffen.

"Es war mir keine [Aktionsform] unbekannt. Aber man hat sich halt nie, also ich habe mich nie damit auseinandergesetzt, inwiefern es alles legal ist. Und auch was für Auswirkungen das hat."

Teilnehmenden-Statement im Fachartikel zur Testphase

Dass dies gelingt, hat sich schon in der Testphase des Planspiels gezeigt, so Marie Bohla, Projektkoordinatorin des Kompetenzzentrums: "Die Teilnehmenden haben trotz der teilweise intensiven und langwierigen Diskussionen und der daraus resultierenden Einsicht, dass Konsens- und Kompromissfindung in der Demokratie Arbeit erfordert, die Herausforderung angenommen und sind stets zu einem Ergebnis gekommen, auf das sich alle einigen konnten."

Sie sollen dabei auch lernen, demokratiestärkende Positionen und Vorgehensweisen von antidemokratischen, gewaltorientierten zu unterscheiden. Die ohnehin niedrige Akzeptanz gewaltsamer linksextremer Protestmöglichkeiten nahm bei den Teilnehmenden der Testrunden wie erwartet ab, wie das Projektteam in einem Fachartikel zur Testphase schildert.

Die Handreichung

Das Planspiel ist in Form einer Handreichung und eines Anhangs verfügbar. Diese enthalten sämtliche Materialien für die Durchführung: das Szenario, Informationen über die beteiligten Gruppen und Gruppenmitglieder sowie eine ausführliche Beschreibung des Ablaufs. Zudem gibt es Hintergrundinformationen über Wohnraumknappheit, Gentrifizierung und Protest. Auch wird mit dem erfolgreichen Protest rund um die Schließung eines Jugendzentrums in Mannheim ein reales Beispiel aus den 70er-Jahren vorgestellt.


Veröffentlicht im August 2023

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