Grafik zeigt mehrere grüne Linien mit vereinzelten Punkten. Der Bildausschnitt stammt aus Seite 79 der Publikation "Rassistische Realitäten".

"Rassistische Realitäten" in Deutschland

Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor stellt erste Ergebnisse vor und zeigt: Rassismus ist in Deutschland für viele Menschen Teil des Alltags.

Pinselstrich

Rassismus war in Deutschland lange kein öffentliches Thema, obwohl er für viele Menschen tägliche Realität ist. Erst als Folge der rassistisch motivierten Attentate im Jahr 2019 in Halle, 2020 in Hanau und der Black Lives Matter-Bewegung in den USA wurde der extreme wie auch der alltägliche Rassismus zum Diskussionsthema in der Gesellschaft. In Folge dessen wurde im Juli 2020 der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor durch Mittel des Bundestags am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung eingerichtet, um die Ursachen, das Ausmaß und die Folgen von Rassismus systematisch zu untersuchen. Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor besteht aus unterschiedlichen Einzelstudien, verteilt auf mehrere Jahre. Als erste umfangreiche Untersuchung ist im Mai 2022 die Auftaktstudie "Rassistische Realitäten" erschienen.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, effektive Maßnahmen gegen Rassismus in Institutionen und der Zivilgesellschaft zu entwickeln und umzusetzen. An dem in Deutschland bisher umfangreichsten Forschungsprojekt zu diesem Thema arbeitet ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam.

Im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor werden repräsentative Umfragen, Analysen zur Rechtsprechung und über Medien sowie ein Theorie-Modul zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung des Forschungsfelds Rassismus kombiniert. Zivilgesellschaftliche Institutionen werden beratend miteinbezogen.

Erste Ergebnisse aus Kurzstudien

Bereits 2020 und 2021 wurden insgesamt 34 Kurzstudien vorgelegt, die mit sechs Themenschwerpunkten viele gesellschaftliche Bereiche untersucht haben:

  • Rassismus im Gesundheitssystem

  • Rassismuserfahrungen in Bildungsinstitutionen und auf dem Arbeitsmarkt

  • Institutioneller Rassismus, beispielsweise in Polizei und Justiz

  • Umgang mit Rassismuserfahrungen

  • Rassismus, Teilhabe und Medien

  • Messbarkeit von rassistischen Einstellungen und Ideologien innerhalb der Gesellschaft

Im Rahmen der Kurzstudien wurde beispielsweise erforscht, wie Schwimmbäder mit Diskriminierung gegenüber Burkini tragenden Personen umgehen und wie sich die diskriminierende Situation dadurch verändert. Eine andere Studie verfolgte die Frage, ob rassistische Einstellungen während der Corona-Pandemie zugenommen haben.

Auftaktstudie "Rassistische Realitäten"

Als erste umfangreiche Studie ist im Mai 2022 die Auftaktstudie "Rassistische Realitäten" erschienen. Unter der Leitfrage "Wie setzt sich Deutschland mit Rassismus auseinander?" wurden für die Studie in einer repräsentativen Umfrage 5.000 Menschen befragt. Erstmals bei einer solchen Untersuchung wurden neben den üblichen Daten wie Alter, Geschlecht und Bildungsstand auch die von Rassismus betroffenen Personen statistisch erfasst und die Befragungsergebnisse dieser Gruppe in der Auswertung sichtbar gemacht.

Volltextalternative der Grafiken

Die Ergebnisse der Auftaktstudie bilden das gewachsene Bewusstsein für Rassismus in der Gesellschaft durch Vorfälle wie zum Beispiel den Anschlag in Hanau im Februar 2020 ab. Sie machen aber zugleich deutlich, dass rassistische Wissensbestände und eine abwehrende Reaktion auf Rassismuskritik nach wie vor in großen Teilen der Gesellschaft Zustimmung erfahren.

90 Prozent der Befragten nehmen wahr, dass Rassismus in Deutschland Realität ist. "Seine strukturelle und institutionelle Dimension scheint einem Großteil der Bevölkerung zumindest intuitiv bewusst zu sein", heißt es dazu in der Studie. Auch die Einschätzung von Situationen als rassistisch fällt den Menschen leicht, wenn sie diese als unfair gegenüber rassifizierten Gruppen empfinden, etwa auf dem Wohnungsmarkt oder auf dem Arbeitsmarkt. Zurückzuführen ist diese Wahrnehmung auch darauf, dass 65 Prozent der Befragten bereits direkt oder indirekt Rassismus erlebt haben.

Trotz dieses Bewusstseins wird Rassismus jedoch paradoxer Weise häufig nur als Problem des politisch rechten Randes oder als ein internationales Problem, zum Beispiel der USA bezeichnet, getreu dem Motto: "Rassisten, das sind die Anderen". Zudem empfinden viele Menschen Rassismuskritik als übertrieben, so stimmten 45 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Rassismusvorwürfe und "politische Korrektheit" die Meinungsfreiheit einschränken würden. Auch die Meinung, dass Beschwerden über Rassismus aus einer Überempfindlichkeit der Betroffenen entstehen, wird von 33 Prozent der Bevölkerung geteilt.

Hohe Bereitschaft sich gegen Rassismus einzusetzen

Die Ergebnisse dieser und noch folgender Studien des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors in gesellschaftliches Handeln zu übertragen, ist ein Schritt, der die gesamte Gesellschaft herausfordert, zugleich aber auch auf diese bauen kann: Das gewachsene Bewusstsein der Bevölkerung für Rassismus hat dabei den positiven Effekt, dass 70 Prozent der Befragten bereit sind, sich zukünftig aktiv gegen Rassismus einzusetzen. Diese Bereitschaft ist das Fundament, auf dem eine vielfältige Gesellschaft aufgebaut werden kann.


Veröffentlicht im Juli 2022

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