Verschiedenfarbige Silhouetten von Menschen, die in ein stilisiertes Gebäude gehen

Wie kommt die Vielfalt ins Amt?

Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung hat untersucht, welche Hürden es für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gibt, sich bei der öffentlichen Verwaltung zu bewerben.

Pinselstrich

Das Modellprojekt "Vielfalt im Amt" der Deutschlandstiftung Integration bietet Menschen mit eigener oder familiärer Zuwanderungsgeschichte dreimonatige bezahlte Hospitationsmöglichkeiten vor allem in Bundesministerien. Damit soll ihr Anteil an den Beschäftigten dort gesteigert werden, denn 2021 wiesen in der Bundesverwaltung nur 12 Prozent der Mitarbeitenden eine Zuwanderungsgeschichte auf, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung gut 27 Prozent betrug.

Um herauszufinden, ob und inwiefern Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im gesamten Bewerbungsprozess systematisch benachteiligt werden, hat das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) das Modellprojekt über zwei Jahre begleitet. Aus den Beobachtungen konnten Empfehlungen entwickelt werden, wie der Anteil von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der Bundesverwaltung gesteigert werden kann.

Diese Ergebnisse hat das DeZIM in seinem Report "Wie kommt die Vielfalt ins Amt? Diversitätsgestaltung im Bewerbungsprozess" zusammengefasst. Untersucht wurden drei Phasen der Personalgewinnung: Bewerbung, Auswahlverfahren und die eigentliche Hospitation. Dabei hat das DeZIM folgende Methoden angewandt:

  • Durch eine Befragung des Alumni-Netzwerks der Deutschlandstiftung Integration wurde ermittelt, wie die öffentliche Verwaltung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte wahrgenommen wird und wie sie über eine Bewerbung denken.
  • Zur Untersuchung der Auswahlverfahren wurden zudem Interviews mit Personalverantwortlichen der Bundesbehörden geführt.
  • Um den Hospitationsverlauf auszuwerten, wurden die Hospitierenden vorher und nachher befragt, zusätzlich sollten sie während der Hospitationen Tagebuch führen.

Bewerbung

Grundsätzlich schätzen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte den öffentlichen Dienst als attraktiven Arbeitgeber ein. Allerdings gibt es auch einige Hürden für eine Bewerbung.

So führt die noch geringe Repräsentation von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte dazu, dass sich auch nur wenige für eine Bewerbung entscheiden, weil sie Diskriminierung am Arbeitsplatz befürchten. Daher lautet eine Empfehlung der Studie, dass die Behörden mit einer entsprechenden Außendarstellung entgegenwirken sollten, zum Beispiel in den sozialen Medien. Um Menschen mit Zuwanderungsgeschichte besser zu erreichen, sollte der öffentliche Dienst die sozialen Medien auch verstärkt für Ausschreibungen verwenden, da klassische Wege von den Befragten weniger genutzt wurden.

"Aufgrund der Unterrepräsentation von People of Color habe ich es nie in Betracht gezogen, im öffentlichen Dienst später arbeiten zu wollen, denn ich befürchte, dass ich in einem mehrheitlich weißen (und auch nicht jungen) Umfeld früher oder später Diskriminierung erfahren werde."

Mitglied des Alumni-Netzwerks der Deutschlandstiftung Integration

Eine wichtige Erkenntnis der Befragung ist auch, dass die ausdrückliche Aufforderung in Ausschreibungen an Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, sich zu bewerben, auf die Teilnehmenden eher abschreckend wirkte. Dies könnte daran liegen, dass sie befürchten, nur aufgrund einer Quote ausgewählt zu werden, und nicht aufgrund ihrer Qualifikation. Genaue Erkenntnisse über die Gründe liegen allerdings noch nicht vor.

Auswahlverfahren

Im Hinblick auf Bewerbungsgespräche gehen die Wahrnehmungen der befragten Personalverantwortlichen und der Mitglieder des Alumni-Netzwerks deutlich auseinander:

Personalverantwortliche sehen das Auswahlverfahren zwar grundsätzlich als objektiv an, nehmen allerdings teilweise einen Konflikt zwischen dem gesetzlichen Prinzip der Bestenauslese und dem Ziel der Diversitätsförderung wahr: Wenn zum Beispiel nur nach vermeintlich harten Kriterien wie Abiturnoten entschieden werden kann, um eine rechtssichere Auswahl zu treffen, lassen sich mögliche strukturelle Benachteiligungen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte an der Schule, die zu schlechteren Noten geführt haben, nicht berücksichtigen.

Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zweifeln dann auch stärker an der Objektivität des Auswahlverfahrens, zum Beispiel aufgrund von zuvor gemachten Diskriminierungserfahrungen. Dies kann wiederum ihre Leistung im Bewerbungsgespräch negativ beeinflussen.

Personalverantwortliche und die Behörden allgemein sollten sich dieser möglichen Leistungsbeeinflussung und eigener eventueller Vorurteile mehr bewusst werden, empfiehlt die Untersuchung.

Hospitation

Aus den Tagebuchaufzeichnungen der Hospitierenden wird deutlich, dass es während der Hospitationen Reflexions-, Vernetzungs- und Empowerment-Angebote geben muss, damit sie sie als gewinnbringend erleben. Wichtig für eine positive Hospitationserfahrung ist auch, dass es in den Behörden weitere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gibt sowie Wissen darüber, welchen Diskriminierungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ausgesetzt sein können.

"Was ich auch sehr schätze, ist, dass meine Kolleg*innen die Themen und Perspektiven, die ich als migrantische Person mitbringe, navigieren können und aktive Zuhörkompetenzen haben, sodass tatsächlich Dialoge entstehen."

Hospitierende Person

Auf Seiten der Personalverantwortlichen besteht der Bedarf nach weiteren Informationen zum Thema Diversitätsmanagement und einer Austauschmöglichkeit zwischen den Behörden dazu. Allgemein hegen sie den großen Wunsch, weitere Maßnahmen zur Diversitätsförderung einleiten zu können.

Angesichts der Komplexität und der Herausforderungen von Diversitätsgestaltung können die Erkenntnisse aus der Begleitung des Modellprojekts und das Modellprojekt selbst nur ein Anfang sein, sie liefern aber wichtige Hinweise für weitere Forschung und vor allem für Veränderungen in den Behörden.


Veröffentlicht im März 2023