Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zeigen sich in unserer Gesellschaft in verschiedenen Formen und sind eine große Gefahr für die Demokratie. Das Kompetenznetzwerk im Themenfeld Rechtsextremismus beobachtet, dass sich die extreme Rechte die Krisen der letzten Jahre zunutze gemacht hat. Alina Mönig von der Koordinierungsstelle des Netzwerks berichtet: "Polarisierende Ereignisse wurden instrumentalisiert, um gegen Minderheiten und politisch Andersdenkende zu hetzen und demokratische Institutionen verächtlich zu machen".
Das Kompetenznetzwerk stellt sich diesen aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus entgegen und konzipiert bundesweite Präventionsangebote. Im Netzwerk arbeiten dafür fünf Organisationen seit vielen Jahren zusammen. Sie sensibilisieren Fachkräfte in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern, beraten und stärken Handlungskompetenzen in der Auseinandersetzung mit extrem rechten Akteurinnen und Akteuren.
So berät beispielsweise die Amadeu Antonio Stiftung zivilgesellschaftliche Initiativen im Umgang mit Rechtsextremismus. Besonders zivilgesellschaftlich Engagierte stehen unter Druck, werden eingeschüchtert oder bedroht. Als eine Reaktion darauf schult das Netzwerk Betroffene im Umgang mit der extremen Rechten in ihrem privaten oder beruflichen Alltag, wodurch sich ihre Handlungsstrategien festigen. Außerdem stellt die Stiftung auch Material zu bisher weniger beachteten Themen bereit wie etwa Frauen in der extremen Rechten.
Aktuelle Herausforderungen im Themenfeld
Des Weiteren beobachtet das Kompetenznetzwerk eine Zunahme der Instrumentalisierung von Kindeswohl durch die extreme Rechte. Diese stellt die Grundwerte vielfältiger und gleichberechtigter Erziehung infrage. Wenn Kinder in Familien mit einer rechtsextremen Weltanschauung aufwachsen, kann das Kindeswohl betroffen sein. Das hat gravierende Folgen für ihr Aufwachsen und ihren späteren Blick auf die Welt. Zu diesem Thema hat die im LidiceHaus Bremen ansässige Fachstelle Rechtsextremismus und Familie (RuF) die Broschüre "Funktionalisierte Kinder" herausgegeben. Ein Erklärvideo geht zudem auf häufig gestellte Fragen ein und stellt Indikatoren für eine mögliche Kindeswohlgefährdung in Neonazifamilien vor.
Auch Anfragen zur Arbeit mit rechtsextrem affinen Jugendlichen werden dringlicher, erzählt Alina Mönig. Dies unterstreicht, dass Jugendarbeit mehr denn je aufgerufen ist, Äußerungen von gruppenbezogenem Hass sowie Demokratie ablehnenden Standpunkten pädagogisch und präventiv zu begegnen. Dafür arbeitet der Verein Cultures Interactive mit seiner Fachstelle Rechtsextremismusprävention (fa:rp) an der Frage, wie man über jugendkulturelle Zugänge beziehungsweise durch kreativ praktizierte Jugend(kultur)arbeit demokratisches und menschenrechtliches Handeln von Jugendlichen fördern kann. Die Broschüre "Darauf kommt es an! Jugendarbeit für Menschenrechte und Demokratie" zeigt Potentiale von Jugend(kultur)arbeit im Kontext von politischer Bildung, Empowerment und Rechtsextremismusprävention auf und gibt Anregungen für die eigene pädagogische Praxis.
Im kirchlichen Raum nimmt das Kompetenznetzwerk ebenfalls einen deutlich wachsenden Beratungsbedarf wahr. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R, in Trägerschaft von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V.) organisiert für Haupt- und Ehrenamtliche aus Kirchen und Zivilgesellschaft nicht nur Fachtagungen und Fortbildungen, sondern unterstützt sie auch mit Beratungsmaterialien, wie der Broschüre "Impulse für den Umgang mit Rechtspopulismus im kirchlichen Raum". Diese informiert über rechtspopulistische Ziele und Taktiken, gibt Hinweise, wie beispielsweise Gesprächsrunden und Diskussionsveranstaltungen durchgeführt werden und welche Beratungsstellen aufgesucht werden können.
Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V. arbeitet zu den Bereichen Wirtschaft und Justiz und berät unter anderem Unternehmen und Justiz-Institutionen im Umgang mit Rechtsextremismus. Hierzu bietet der Verein beispielsweise ein monatliches Monitoring im Bereich Rechtsextremismus und Justiz und eine Ringvorlesung in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin an.
Zusammenarbeit im Netzwerk
Die enge Zusammenarbeit im Netzwerk wird besonders deutlich durch die bisher gemeinsam erreichten Meilensteine. Die Netzwerkpartner entwickelten beispielsweise das Infoportal Rechtsextremismusprävention, welches bestehende Beratungs- und Informationsangebote zum Thema bündelt. Wer Hilfe und Unterstütung sucht, kann über diese Erstanlaufstelle Ansprechpartnerinnen und -partner finden.
Für Fachkräfte, die in ihrem Arbeitsfeld vor Herausforderungen im Kontext Rechtsextremismus stehen und sich zum Stand der Fachdebatten weiterbilden möchten, bietet das Kompetenznetzwerk eine modulare Fortbildungsreihe an. Diese findet jährlich statt und wird von den Netzwerkorganisationen entsprechend ihrer jeweiligen Expertisen gestaltet.
Das Netzwerk qualifiziert nicht nur, sondern bringt auch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Fachkräfte, die in der Rechtsextremismusprävention tätig sind, zusammen. Die halbjährlich durchgeführten Vernetzungstreffen mit den Modellprojekten im Themenfeld Rechtsextremismus haben sich als Ort für inhaltlichen Austausch zum Thema Rechtsextremismusprävention und kollegiale Beratung etabliert. Daneben finden jährliche Fachtagungen zu aktuellen Problemlagen statt, um Möglichkeiten des demokratischen Engagements in krisenhaften Zeiten aufzuzeigen und zu stärken.
Mit diesen vielfältigen Angeboten begegnen die fünf Organisationen den aktuellen Herausforderungen im Themenfeld. Sie bündeln im Kompetenznetzwerk ihre jahrelang gesammelten Fachkenntnisse, Kontakte und Partnerschaften und stärken so gemeinsam die Landschaft der Rechtsextremismusprävention.
Veröffentlicht im Oktober 2023