Etliche Menschen stehen in einem Kreis

"Rassismus und Diskriminierung können nur gemeinsam überwunden werden."

Das Modellprojekt "Zusammenhalt stärken – Migrant*innen gegen Rassismus" unterstützt People of Colour und Migrantenselbstorganisationen in der antirassistischen Arbeit.

Pinselstrich

Das niedersächsische Modellprojekt "Zusammenhalt stärken – Migrant*innen gegen Rassismus" will People of Colour und Migrantenselbstorganisationen in der antirassistischen Arbeit schulen, sie vernetzen und mit staatlichen Institutionen in den Dialog bringen. So sollen gemeinsam Handlungsmöglichkeiten gegen Diskriminierung erarbeitet werden.

Ein Drittel aller Anfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erfolgt auf Grund von rassistischen Zuschreibungen und damit einhergehender Diskriminierung – Tendenz steigend (Quelle). Der Handlungsbedarf zur Entwicklung von Gegenstrategien ist also groß. Als eines von acht im Bundesprogramm "Demokratie leben!" geförderten Modellprojekten im Themenfeld Rassismus widmet sich das Projekt "Zusammenhalt stärken – Migrant*innen gegen Rassismus" dieser Aufgabe.

Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung

Die ersten Veranstaltungen des Modellprojekts im Jahr 2020 zeichneten ein vielschichtiges Bild alltäglicher Diskriminierungserfahrungen: Die Teilnehmenden mit einem breiten Spektrum nationaler Hintergründe pro Veranstaltung wurden gezielt nach ihren Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung befragt. Schnell kamen auf diese Weise Beispiele zusammen: Von "geduzt werden, ohne vorheriges Einverständnis" über die Frage "woher man eigentlich komme", bis hin zu dem vermittelten Gefühl, dass Zweisprachigkeit in Bezug auf Französisch oder Englisch positiv wahrgenommen werde, Gleiches aber nicht für Russisch oder Türkisch gelte.

Auch wurde in den Diskussionen behandelt, in welchen Kontexten Schwarze Menschen und People of Colour (PoC) medial thematisiert werden: nicht selten in Verbindung mit Gewalttaten oder Gangkulturen. Dieses Framing erzeugt Zuschreibungen in den Köpfen der Menschen, die oft unreflektiert übernommen werden.

Sieben lächeldne Menschen
Projektteilnehmende. Bild: Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. - amfn e.V.

Fakt ist: Rassistische Äußerungen oder Handlungen dürfen nicht folgenlos oder unkommentiert bleiben. Doch welchen Ansatz wählt das Modellprojekt, um Diskriminierung entgegenzuwirken?

Projektarbeit auf verschiedenen Ebenen

"Zusammenhalt stärken" arbeitet auf verschiedenen Ebenen: Innerhalb der PoC-Community und den Migrantenselbstorganisationen (MSO), spielt es eine wichtige Rolle, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig eine aktive Teilnahme am politischen Geschehen ist. In den Online-Veranstaltungen wurde daher verstärkt darauf hingewiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund circa 26 Prozent der Bevölkerung Deutschlands ausmachen, sich dies aber nicht in Parlamenten, Institutionen oder Unternehmen widerspiegelt. Demzufolge gehört es zur Projektarbeit, PoC und MSO eine Stimme zu geben und die Teilnehmenden dazu ermutigen, sich auch Gehör zu verschaffen. Um die Sichtbarkeit schrittweise zu erhöhen, pflegt das Projekt auf seiner Webseite eine interaktive Landkarte: Auf dieser kann man sowohl MSO als auch Beratungsstellen für Antidiskriminierung in Niedersachsen einsehen.

Gleichzeitig möchte das Modellprojekt innerhalb der Community dafür sensibilisieren, dass Rassismus nicht nur ein Phänomen der weißen Mehrheitsgesellschaft ist, sondern auch unter PoC existiert. Dieser Ansatz spiegelt sich in den Schulungen und Antirassismus-Trainings wider: Teilnehmende berichteten, wie positive persönliche Erlebnisse eigene Vorurteile schwinden ließen, die zuvor beispielsweise gegenüber bestimmten Religionsgemeinschaften oder einzelnen Ethnien bestanden. "Zusammenhalt stärken" vertritt den Ansatz, dass Menschen, die sich gegen rassistische Diskriminierungsformen engagieren wollen, zunächst ihre eigenen Vorurteile bearbeiten müssen, um glaubwürdig zu sein.

Richteten sich die beiden oben genannten Handlungsbereiche vor allem auf die Arbeit innerhalb der Community, bleibt die Frage: Mit welchen Mitteln möchte das Modellprojekt den gesamtgesellschaftlichen Dialog zum Thema Rassismus fördern?

Projektleiter Robin Marks nennt hierfür drei wichtige Grundsätze:

  • Rassismus muss öffentlich thematisiert werden. Dies sollte insbesondere auch unter Beteiligung von Migrantenselbstorganisationen erfolgen.

  • Es ist wichtig, dass jeder kritisch seine eigenen Vorurteile hinterfragt. Im Zuge dieser Auseinandersetzung stößt man möglicherweise auf soziale Privilegien, die man als nicht-betroffene Gruppe in der Gesellschaft genießt – und dies, ohne, dass man sich darüber vorab bewusst war. Hierbei spielt auch mit rein, dass man die Realität rassistischer Diskriminierungen anerkennt.

  • Rassistische Diskriminierungsformen müssen erkannt, gesammelt und an politische Entscheidungsträgerinnen und -träger weitergegeben werden, damit gemeinsam an Handlungsoptionen gearbeitet werden kann.

Handlungsstrategien gegen rassistische Diskriminierung

Um diese Grundsätze zu verwirklichen, wird das Modellprojekt in Dialogforen mit Vertreterinnen und Vertretern von Polizei, Schulen und Verwaltungen Handlungsstrategien gegen rassistische Diskriminierung erarbeiten und den politischen Gremien auf Landesebene vortragen. Mit einer Social-Media-Strategie sollen Rassismus und Diskriminierung öffentlich thematisiert und die Arbeit der MSO als Interessenvertretung der Betroffenen bekannter gemacht werden.