Das Bild zeigt einen Videodreh von Queer4mat. Eine Person mit einem Cappi sitzt auf einer Bank und wird gefilmt. Die Ansicht schaut dem Kameramann über die Schulter.

Videoreihe: Queer auf dem Land

Mobbing, Anfeindungen und Beleidigungen können die Folge nach einem Coming-out sein. Das Team des Videoblogs Queer4mat aus Köthen möchte daran etwas ändern und lässt junge Menschen aus der queeren Community zu Wort kommen.

Pinselstrich

Hand in Hand die Straße entlang – für Verliebte eine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Zeichen für Zweisamkeit, Glücksgefühle und Verbundenheit. Viele Paare genießen diese kleinen Momente, aber manche Paare stehen dadurch unfreiwillig im Mittelpunkt. An einigen Tagen ist es vielleicht einfach, die Blicke und das Getuschel zu ignorieren, an anderen fällt es hingegen schwer. Scheinen die Reaktionen doch zu zeigen: Eure Liebesbeziehung ist nicht gewollt.

Gerade in Kleinstädten und Dörfern verstecken darum junge Menschen ihre Gefühle, weil sie als Frau eine Frau oder als Mann einen Mann lieben. "Es gibt immer wieder echte Probleme dabei, sich auf dem Land zu outen. Viele Menschen sind sehr konservativ und einige Eltern haben wirklich Schwierigkeiten damit, wenn ihr Kind eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt", sagt Julian Miethig. Mit dem Videoblog Queer4mat tritt er für mehr Toleranz und Vielfalt ein. In Zusammenarbeit mit der Partnerschaft für Demokratie Stadt Köthen und der Evangelischen Landeskirche Anhalt ist dabei die Videoreihe "Queer auf dem Land" entstanden.

Eltern können Rückhalt bieten

In drei Videos geht es um Outing, Mobbing und Anfeindungen. Julian Miethig lebt in Köthen, einer Stadt zwischen Magdeburg und Halle in Sachsen-Anhalt. Er selbst kennt Gleichaltrige, die sich mit ihrem Coming-out schwertun. Im Gespräch mit dem Studierenden wird deutlich, dass für ihn die Familie eine entscheidende Rolle spielt. "Viele junge Menschen wollen sich nicht outen, weil ihre Eltern irgendwann einen komischen Kommentar gemacht haben. Sei es nun beim Fernsehen, weil sich dort zwei Männer küssen, oder beim Gespräch, wo es ganz nebenbei heißt: Bring mir ja keinen Typen mit nach Hause", sagt der Videoblogger. Das Problem sei dabei, dass es kaum oder keine Berührungspunkte zur queeren Community gäbe. Die Eltern können jedoch eine große Unterstützung im Prozess der Selbstfindung sein und auch seelisch stärken. "Ich bin davon überzeugt, dass man bei den Eltern ansetzen muss. Es muss klar werden, dass Homosexualität etwas ganz Normales ist, dass das nicht irgendwie absurd oder krank ist", sagt er weiter.

Outing während der Schulzeit

Das Thema der sexuellen Vielfalt käme zudem in der Schule zu kurz, dies zeigen auch die Erfahrungsberichte in den Videobeiträgen. Denn es geht darin unter anderem um die kaum vorhandenen queeren Strukturen auf dem Land, die bei Fragen zur sexuellen Orientierung wichtig sein können. Protagonist Justin wurde beispielsweise nach seinem Outing immer wieder auf dem Schulhof gemobbt und die Schule stellte ihm die Frage: Was sollen wir da denn machen? Mit einer Anzeige konnte er sich schließlich wehren, aber die psychischen Folgen wogen schwer. Das Lernen rückt dann in den Hintergrund. Julian Miethig kennt auch so manche Schimpfwörter. "Ich habe das am eigenen Leib erlebt. Das schüchtert ein und das macht was mit einem. Man kann nicht so sein, wie man eigentlich sein will und das wird letztlich zum Problem", so der gelernte Mediengestalter.

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Videoblog Queer4mat

Videos im YouTube-Kanal

Das Bildschirmfoto zeigt drei YouTube-Kacheln mit den Protagonisten von "Queer auf dem Land".
"Queer auf dem Land" im YouTube-Kanal

"Viele junge Menschen wollen sich nicht outen, weil ihre Eltern irgendwann einen komischen Kommentar gemacht haben. Sei es nun beim Fernsehen, weil sich dort zwei Männer küssen, oder beim Gespräch, wo es ganz nebenbei heißt: Bring mir ja keinen Typen mit nach Hause."

Julian Miethig, Gründer von Queer4mat

Julian Miethig bei Dreharbeiten für Queer4mat. Der junge Mann in Jeans und dunklem Pullover schaut in die Kamera, er kniet und hält dabei eine Videokamera hoch.

"Wir konnten mit den Videos ein Projekt fördern, welches mehr Aufmerksamkeit verdient", sagt Elena Stepanov von der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie. "In Gesprächen merke ich, dass in Kleinstädten nicht viel beim Thema queeres Leben passiert." Der Begleitausschuss der Partnerschaft hat daher geschlossen für die Projektförderung gestimmt.

Neue Staffel startet im Herbst

Im ersten Halbjahr 2022 hatte sich das Queer4mat-Team nun eine kurze Kreativpause genommen, auf den kommenden Christopher Street Days (CSD) wird die Videokamera aber wieder laufen. Im Herbst geht es dann mit der neuen Staffel auf YouTube los, "wir werden erneut Leute aus der Community interviewen, die ihre Geschichte erzählen und ihre Erfahrungen mit uns teilen", sagt Julian Miehtig. Er hat sich vorgenommen auch weiterhin etwas zu bewegen. Elena Stepanov von der Partnerschaft für Demokratie ergänzt: "Ich hoffe, dass dabei vielleicht eine Zusammenarbeit mit unserem Jugendforum zustande kommt."


Veröffentlicht im Juni 2022