Im deutschen Fußball wird bereits viel Engagement und Aufklärungsarbeit gegen Rassismus geleistet, dennoch stellen unterschiedliche Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie Rassismus, Antisemitismus und Sexismus weiter ein Problem, vor allem im Männerfußball, dar. Dieses Thema greift die Handreichung "Wichtig ist nicht nur auf'm Platz" des Bundesverbands Mobile Beratung (BMB) auf.
Der BMB ist der Dachverband von rund 50 Mobilen Beratungsteams, die bundesweit zum Umgang mit Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beraten. Regelmäßig erhalten sie Anfragen von Fußballvereinen und Fan-Initiativen. "Anlass dafür sind oft konkrete Vorfälle – zum Beispiel, wenn ein Stadionbesucher den Hitlergruß gezeigt hat oder Spielerinnen und Spieler rassistisch beschimpft wurden", sagt BMB-Geschäftsführerin Grit Hanneforth. "Solche Vorfälle sorgen für Verunsicherung und lassen Vereine, Fans und Engagierte mitunter ratlos zurück. Es gibt aber Möglichkeiten, zu reagieren – und diese Handlungsoptionen wollten wir in einer Broschüre zusammentragen." Diese ist aus einer Arbeitsgruppe von Mobilen Beraterinnen und Beratern aus unterschiedlichen Bundesländern mit Unterstützung des Bundesverbands entstanden.
Sie erläutert Hintergründe von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Fußball und spezifischen Problemen im Umgang mit Rechtsextremismus im Männerfußball. Diese werden anhand von Beispielen aus den Mobilen Beratungsteams veranschaulicht. Die Veröffentlichung legt den Fokus schließlich auf die Ableitung praktischer Handlungsempfehlungen für Vereine.
Fußball – der Sport der "echten" Männer
Sexistische Kommentare, Trommelschläge auf die Brust und ausgrenzende Beschimpfungen: Im Fußballstadion wird oft augenscheinlich, wie bestehende Männlichkeitsbilder die Verbreitung von Ungleichwertigkeitsideologien im Männerfußball begünstigen. In der Broschüre wird dies anhand von Beispielen gezeigt. Eines davon ist der Hooliganismus, der unter anderem durch ein gewalt- und kampforientiertes Verständnis von Männlichkeit Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Gruppen bietet. Grit Hanneforth erläutert, dass es auch im Frauenfußball zu rechtsextremen, rassistischen oder antisemitischen Vorfällen kommen kann, dies im Männerfußball jedoch ein deutlich größeres Problem ist. "Für einige Männer stellt Fußball die letzte Bastion 'natürlicher' Männlichkeit dar. Als 'richtiger Mann' zählt für sie nur, wer cis-männlich, heterosexuell und körperlich stark ist. So kann beim Männerfußball eine Stimmung entstehen, in der Menschen, die nicht in dieses Bild passen, ausgegrenzt und herabgewürdigt werden."
"Fußball erreicht sehr viele Menschen. Fußballvereine und -verbände stehen daher ganz besonders in der Verantwortung, sich öffentlich klar gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu positionieren."
Grit Hanneforth, Geschäftsführerin Bundesverband Mobile Beratung, Bild: Steffen Giersch
Für Werte einstehen
Die Handreichung unterstreicht auch die gesellschaftspolitische Dimension, die der Fußball hat, und die Verantwortung, die sich daraus für Vereine und Verbände ergibt. Häufig berufen sich rechte Gruppen auf eine Neutralitätspflicht und versuchen damit Menschen im Verein zu verunsichern, die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen. Eine solche Neutralitätspflicht für Fußballvereine, so wird herausgestellt, gibt es im Grundgesetz aber nicht. Vielmehr kann sich jeder Verein klar gegen Diskriminierung und für Werte wie Vielfalt, Offenheit und Toleranz aussprechen. Dabei ist es entscheidend, sich nicht gegen einzelne Personen und Parteien zu positionieren, sondern sich für Inhalte und Werte starkzumachen. "Dies ist auch vor dem Hintergrund der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit von großer Bedeutung", heißt es dazu in der Broschüre.
Aus der Praxis lernen
Wie dieser Einsatz für Werte aussehen kann, wird anhand eines Interviews mit zwei Fußballvereinen vorgestellt, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen. Die beiden Vereine berichten davon, wie sie vor Ort demokratische Kultur konkret leben, zum Beispiel in Form von inklusiven und diversen Teams, Konzepten der Mitbestimmung oder einem Solidaritätsprinzip bei Mitgliedsbeiträgen. Sie berichten auch darüber, wie sie mit Angriffen von extremen Rechten umgehen, und unterstreichen in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Austausch und Vernetzung sowie das Einbeziehen von Verbänden.
Darüber hinaus gibt die Handreichung praxisnahe Empfehlungen und Hinweise:
wie man Netzwerke knüpft, nutzt und pflegt
für den Umgang mit rechten Diffamierungskampagnen
aus der Praxis der Mobilen Beratungsteams
wie man mit Hilfe von Reflexionsfragen Maßnahmen für den eigenen Verein erarbeitet
Sich Zeit nehmen, Vorfälle aufzuarbeiten
Kommt es zu einem rechtsextremen Vorfall, sorgen sich Vereine häufig um ihr Image und wünschen sich schnell umsetzbare und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, wie Grit Hanneforth aus der Erfahrung der Mobilen Beratungsteams weiß. Neben der Kommunikation nach außen brauche es aber vor allem Zeit und die Kommunikation nach innen: "Vereine sollten nach einem Vorfall besprechen: Was genau ist passiert? Wie können wir Spielerinnen und Spieler, Mitglieder und Fans dazu ermutigen, sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren? Und vor allem: Wie können wir Betroffene unterstützen und besser schützen? Welche konkreten Maßnahmen sinnvoll sind, muss im Einzelfall geklärt werden." Die etwa 50 Mobilen Beratungsteams, die bundesweit im Einsatz sind, kommen – egal ob Stadt oder Land – kostenlos überall dorthin, wo sie gebraucht werden, und unterstützen die Vereine dann mit ihrer Expertise vor Ort.
Veröffentlicht im August 2023
Mehr über
den Bundesverband Mobile Beratung erfahren: www.bundesverband-mobile-beratung.de