Wer sich im Internet bewegt, kann dort neben vielen unterhaltenden, informativen und konstruktiven Inhalten auch ein hohes Maß an Hass finden. Dieser ist besonders in den sozialen Medien verbreitet, sowohl in dort veröffentlichten Beiträgen als auch in den zugehörigen Kommentaren.
Im Rahmen des Kompetenznetzwerks im Themenfeld Hass im Netz haben Das NETTZ, die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, HateAid und die Neuen deutschen Medienmacher*innen eine repräsentative Befragung von über 3.000 deutschsprachigen Internetnutzenden ab 16 Jahren durchgeführt. Die daraus entstandene Studie "Lauter Hass – leiser Rückzug" legt dar, wer wo und wie Hass im Netz wahrgenommen hat oder selbst davon betroffen war. Sie widmet sich darüber hinaus den individuellen und gesellschaftlichen Folgen dessen: Hass im Netz hat nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, sondern auch auf den demokratischen Diskurs in der Gesellschaft.
Die Studie versteht dabei unter Hass im Netz "eine Vielzahl unterschiedlicher, unter anderem abwertender, entwürdigender, auf Einschüchterung zielender oder verhetzender Online-Phänomene gegenüber Personen oder bestimmten Personengruppen. Gemeint sind damit sowohl entsprechende Inhalte als auch Handlungen."
Wer ist von Hass im Netz betroffen?
Um zu wissen, was wiederum die Befragten zu Hass im Netz zählen, wurden ihnen verschiedene mögliche Inhalte genannt. Mindestens 85 Prozent stimmten zu, dass rassistische Beleidigungen, Beleidigungen aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung darunter fallen.
45 Prozent der Befragten gaben an, Hass im Netz selbst wahrgenommen zu haben, am häufigsten in den sozialen Netzwerken X, ehemals Twitter, TikTok, Facebook und Instagram.
15 Prozent der Befragten waren nach eigenen Angaben mindestens einmal selbst von Hass im Netz betroffen. Die größten Betroffenengruppen innerhalb dieser 15 Prozent sind bisexuelle Menschen, Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren, Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund und homosexuelle Menschen. Am häufigsten bezog sich dieser Hass auf ihre politischen Ansichten, ihr Aussehen und ihre körperliche und psychische Gesundheit.
Auf wen wirkt sich Hass im Netz wie aus?
Hass im Netz hat unterschiedliche Auswirkungen:
57 Prozent aller Befragten bekennen sich aufgrund von Hass im Netz seltener zu ihrer politischen Meinung,
55 Prozent beteiligen sich seltener an Diskussionen im Internet,
53 Prozent formulieren Beiträge bewusst vorsichtiger.
Bei von Hass im Netz Betroffenen sind diese Werte stets höher, teils sogar deutlich. Darüber hinaus geben diese an, dass sie sich als Folge vor allem sozial zurückziehen, psychische Beschwerden entwickeln, Probleme mit dem Selbstbild bekommen und generell ihre Online-Aktivität verringern. Dabei sind die einzelnen Personen zumeist von mehreren Auswirkungen betroffen.
Die Reaktionen treten zudem bei bestimmten Gruppen häufiger auf als beim Durchschnitt aller Befragten:
62 Prozent der Frauen und 67 Prozent der Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund bekennen sich seltener zu ihrer politischen Meinung,
60 Prozent der Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund beteiligen sich weniger an politischen Diskussionen im Internet,
65 Prozent der homosexuellen Personen und 59 der bisexuellen formulieren ihre Beiträge bewusst vorsichtiger.
Volltextalternative der Grafiken
Wie wirkt sich Hass im Netz auf die Gesellschaft aus?
Es zeigt sich, dass sich die am stärksten von Hass im Netz Betroffenengruppen am häufigsten aus dem politischen Online-Diskurs zurückziehen. Durch dieses sogenannte Silencing kann der Eindruck entstehen, dass die Hass-Verbreitenden in der Mehrheit sind. Das wiederum kann auch Entscheidungen beeinflussen, die Menschen in der Offline-Welt treffen, zum Beispiel bei Wahlen.
Diejenigen, die sich zurückziehen, informieren sich dadurch im Netz auch weniger über politische Inhalte. Das führt gerade bei jüngeren Menschen dazu, dass sie sich allgemein weniger über politische Inhalte informieren, weil ihre Hauptquelle dafür soziale Netzwerke sind.
Was muss dagegen getan werden?
Verschiedenen Forderungen an die Politik, entschiedener gegen Hass im Netz vorzugehen, stimmt eine große Mehrheit von jeweils über 80 Prozent der Befragten zu. Dazu gehört die Sensibilisierung von Polizei und Justiz für das Thema, die konsequentere Durchsetzung bestehender Gesetze, aber auch der Ausbau spezialisierter Anlaufstellen und die Verankerung des Themas in schulischen Lehrplänen. Die Verpflichtung von Plattformen der sozialen Medien, mehr Verantwortung für die bei ihnen veröffentlichten Inhalte zu übernehmen, wird ebenso unterstützt wie die Forderung nach Klagemöglichkeiten ohne finanzielles Risiko für die Klagenden.
Gerade im Zusammenhang mit den bevorstehenden Landtags- und Europawahlen ist zu befürchten, dass der Hass im Netz weiter zunehmen wird. Aber auch darüber hinaus legen die Studienergebnisse nahe, dass es neben staatlichem Handeln einer verlässlichen Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen bedarf, um den politischen Online-Diskurs nicht denen zu überlassen, die sich nicht an demokratische Regeln halten.
Veröffentlicht im Mai 2024