Der Arbeitsplatz ist ein Ort der Begegnung, an dem Menschen viel Zeit verbringen. Idealerweise sollten sich dort alle sicher und wohl fühlen und vor Diskriminierung oder Ausgrenzung geschützt sein. Doch auch in der Arbeitswelt treffen Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen aufeinander, die sich mitunter gegen die demokratische Grundordnung richten. So kann es dazu kommen, dass rechtsextreme Einstellungen im Arbeitskontext geäußert werden, die das gemeinsame Arbeiten beeinflussen und das Betriebsklima verändern. Aber wie häufig werden rechtsextreme Einstellungen im Arbeitsalltag überhaupt sichtbar? Wie gehen Mitarbeitende und Führungskräfte damit um und wie stehen sie zum Engagement des eigenen Unternehmens gegen Rechtsextremismus?
Diesen Fragen widmet sich die im Juni 2024 veröffentlichte Studie "Unternehmen in Verantwortung! Umfrageergebnisse zu Rechtsextremismus in der Arbeitswelt – Herausforderungen und Handlungsbedarf" vom Verein Gesicht Zeigen! Für die Studie wurden deutschlandweit 2.500 abhängig Beschäftigte und 2.000 privatwirtschaftliche Entscheiderinnen und Entscheider online zu ihren Erfahrungen mit Rechtsextremismus im Arbeitskontext befragt. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen erstmalig eine Bestandsaufnahme zu dem Thema, denn über die Verbreitung von Rechtsextremismus in den Bereichen Wirtschaft und Arbeitswelt ist bisher wenig bekannt. Gesicht Zeigen! möchte mit dieser neuen Datenbasis insbesondere für Rechtsextremismus in Wirtschaft und Arbeitswelt sensibilisieren und einen Diskurs anstoßen.
Rechtsextremismus in der Arbeitswelt
Die Studienergebnisse zeigen, Menschen mit rechtsextremen Einstellungen spielen auch im Arbeits- und Wirtschaftskontext eine Rolle: Ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland hat bereits rechtsextreme Einstellungen am Arbeitsplatz wahrgenommen, 7,7 Prozent waren selbst von rechtsextremen Anfeindungen am Arbeitsplatz betroffen. Beschäftigte, die rechtsextreme Einstellungen am Arbeitsplatz wahrnehmen, wünschen sich mehr Engagement seitens der Arbeitgebenden und sprechen sich für Fortbildungen zum Thema aus.
Wenig Unterstützungsangebote, kaum Sanktionen
Des Weiteren stellen die Ergebnisse heraus: In Unternehmen wird zu selten auf rechtsextreme Vorfälle reagiert. Fast 60 Prozent der Beschäftigten geben an, dass ihre Führungskräfte keine Maßnahmen auf einen rechtsextremen Vorfall ergriffen haben. Das ist problematisch, denn ein Nichthandeln trägt zur Normalisierung rechtsextremer Äußerungen bei. Eine mögliche Erklärung für das Verhalten kann eine fehlende Sensibilisierung oder fehlendes Wissen über Handlungsoptionen und den Umgang mit rechtsextremen Äußerungen sein. Denn auch das haben die Ergebnisse gezeigt: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (54,1 Prozent) gibt an, keine Unterstützungsangebote und Fortbildungen zum Thema Rechtsextremismus in Anspruch nehmen zu können.
Rechtsextremismusprävention als Teil der Unternehmensstrategie
Um Menschen mit rechtsextremen Einstellungen am Arbeitsplatz frühzeitig begegnen zu können, ist es wichtig, präventive Maßnahmen und eine gemeinsam gelebte demokratische Kultur im Unternehmen zu etablieren. Sophia Fresen von Gesicht Zeigen! empfiehlt daher: "Demokratiekompetenz, Wertschätzung und Respekt sollten am Arbeitsplatz als Themen in der Unternehmensstrategie verankert werden, damit diese Form annehmen und Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden." Auch die Studienergebnisse untermauern dies, denn drei Viertel der Beschäftigten befürworten es, wenn Werte wie Demokratie, Wertschätzung und Respekt am Arbeitsplatz gelebt werden.
Durch eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus im Unternehmensleitbild können Arbeitgebende auch als Vorbilder fungieren, so die Studie. Dies kann bei den Beschäftigten eine stärkere Bindung und Identifikation mit dem Unternehmen auslösen und gleichzeitig in der Außenkommunikation deutlich machen, wofür das Unternehmen einsteht.
Als weitere präventive Maßnahme rät Sophia Fresen, Fortbildungsangebote langfristig in die Unternehmensstruktur einzubetten. "Weiterbildungen, Schulungen und Workshops für Mitarbeitende und Führungskräfte sind wichtige Maßnahmen, um überhaupt eine Sensibilisierung und Aufmerksamkeit für rechtsextreme Einflussnahme zu ermöglichen und konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen." Alle Beschäftigten sollten wissen, an wen sie sich bei rechtsextremen Vorfällen wenden können und wo sie Unterstützung erhalten. Dafür sollten bestehende Beschwerdestellen für das Thema sensibilisiert und Ansprechpersonen gegebenenfalls neu eingestellt werden oder auch die Unterstützung durch externe, zum Beispiel zivilgesellschaftliche Angebote in Anspruch genommen werden.
Projekt "United!" unterstützt Unternehmen
Mit dem Projekt "United! – Gemeinsam gegen Rechtsextremismus" richtet sich Gesicht Zeigen! explizit an Unternehmen und stärkt diese in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus am Arbeitsplatz. Um den Zusammenhalt am Arbeitsplatz zu fördern, entwickelt das Team von „United!“ gemeinsam mit Unternehmen Strategien, die zielgruppenkonforme und nachhaltige Angebote im Unternehmen etablieren, für das Thema sensibilisieren und den Umgang mit Rechtsextremismus trainieren. Das Projekt schult dafür auch Mitarbeitende und Führungskräfte zum Kontext Rechtsextremismusprävention und unterstützt diese mit vielfältigen Bildungsmaterialien, wie zum Beispiel mit der IT WORKS!-Workshop-Box. Diese beinhaltet interaktive Methoden, um Haltungen zu Rechtsextremismus am Arbeitsplatz im Team zu diskutieren. Denn die Forschung im Kontext Arbeit und Demokratie zeigt, dass Rechtsextremismusprävention in Unternehmen erfolgreich ist, wenn Beschäftigte Selbstwirksamkeit wahrnehmen und Demokratie am Arbeitsplatz erfahren.
Veröffentlicht im August 2024