Ein körperlicher Übergriff, eine fremdenfeindliche Äußerung an der Supermarktkasse oder eine rassistische Parole auf einem Familienfest – in vielen Situationen ist couragiertes Verhalten wichtig, um Gesicht zu zeigen und sich für demokratische Werte einzusetzen und Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Gemeinsam ist all diesen Vorfällen, dass Menschen dabei in Situationen geraten, die sie sich meist nicht selbst ausgesucht haben und in denen sie plötzlich reagieren müssen. Aber wie?
Der Verein Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland gibt in der Handreichung "Gesicht zeigen – aber wie? Die schlauen Hefte" konkrete Anregungen und Hilfestellungen, wie sich jede und jeder im Alltag zivilcouragiert verhalten kann – auch in schwierigen Situationen. Ein Glossar, welches Begriffe von A wie Antisemitismus bis Z wie Zivilcourage erklärt, hilft außerdem, diese Situationen zu erkennen und einzuordnen.
"Zivilcouragiertes Verhalten" – was verstehen wir darunter eigentlich?
"Zivilcouragiertes Verhalten" meint beispielsweise Momente, in denen Menschen sich für andere einsetzen, sich engagieren, einer unbekannten Person helfen und den Mund aufmachen, wenn andere Beteiligte schweigen. Zivilcourage bedeutet, Schwächere zu stärken.
Mit der Handreichung zeigen die Autorinnen, dass Zivilcourage viele Gesichter haben kann. Sie schildern Beispiele, in denen zivilcouragiertes Handeln nötig ist und zeigen mögliche Handlungsoptionen. Dabei gibt es hier nicht die eine richtige Bemerkung oder Verhaltensweise. Vielmehr existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Möglichkeiten zu reagieren. Diese hängen stets vom konkreten Fall ab, manchmal auch von der eigenen "Tagesform".
Passivität kann als Akzeptanz gedeutet werden
Dabei ist Zivilcourage nichts, was Menschen einfach so können. Doch man kann zivilcouragiertes Verhalten erlernen. Beispielsweise raten die Autorinnen in nicht bedrohlichen Situationen, statt zu schweigen und das Gesagte unwidersprochen im Raum stehen zu lassen, Stellung zu beziehen und auch mal dagegen zu reden. Denn Weghören kann als Akzeptanz oder Zustimmung verstanden werden.
"Wichtig: Weghören wird als Akzeptanz oder Zustimmung verstanden! Wenn Euch eine Aussage ärgert, solltet Ihr das auch sagen."
Auszug aus der Handreichung
Außerdem ist es hilfreich, sich in der unmittelbaren Umgebung Verbündete zu suchen, um gemeinsam zivilcouragiert zu handeln. Zu zweit wird es leichter, beispielsweise einen Angriff abzuwehren. Blickkontakt oder direktes Ansprechen machen dem Opfer Mut und zeigen, dass es nicht allein ist.
In bedrohlichen Situationen ist es ratsam, sich so viel wie möglich vom Tatort und den Tätern einzuprägen, um anschließend die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Ein KFZ-Zeichen, die Beschreibung der Kleidung des Täters oder ein Handyfoto vom Geschehen können hilfreich sein.
Zivilcouragiertes Handeln mit Jugendlichen üben
Gesicht Zeigen! bietet auch Zivilcourage-Trainings online und im vereinseigenen Lernort 7xjung in Berlin an. Diese richten sich an ganze Schulklassen ab Jahrgangsstufe 5 oder auch an Jugendliche in kleineren Gruppen oder Einzelpersonen und werden individuell zusammengestellt, das heißt an die Bedarfe der Jugendlichen angepasst. Die Trainings sollen die Teilnehmenden ermutigen, wachsam und engagiert ihr Umfeld wahrzunehmen und gegebenenfalls zu helfen. Gleichzeitig stärken sie das Selbstbewusstsein und weisen auch auf mögliche Gefahrensituationen hin.
In den Workshops setzen sich Jugendliche durch unterschiedliche Übungen und aktivierende Tools bewusst mit Beispielen von Zivilcourage auseinander. Sie entwickeln und üben alternative Handlungsmöglichkeiten für persönliche Situationen.
Die Schlauen Hefte
Die Reihe "Die Schlauen Hefte" bietet verständliches und unterstützendes Infomaterial für Schulklassen, Aktionstage oder Veranstaltungen. Durch dieses niedrigschwellige Angebot ist es allen möglich, Zugang zu Handlungsmöglichkeiten der Zivilcourage zu erhalten und dieses Wissen im Alltag anzuwenden, um Gesicht zu zeigen für ein demokratisches Miteinander.
Veröffentlicht im Januar 2022