Beherzt einzuschreiten, wenn andere beleidigt, bedroht oder angegriffen werden, nennt man Zivilcourage. Abgeleitet vom lateinischen Wort "civis" (Bürger) und dem französischen "courage" (Mut) heißt Zivilcourage nichts anderes als "Bürgermut". Ohne ihn könnte keine Demokratie funktionieren und von Bestand sein, denn er hilft, für Gerechtigkeit zu sorgen und unsere demokratischen Werte zu verteidigen.
Zivilcourage erfordert, wie der Name schon sagt, Mut und auch Selbstbewusstsein – Fähigkeiten, die man lernen und wie einen Muskel trainieren kann. Schon in kleinen Situationen des täglichen Lebens können wir sie anwenden: zum Beispiel, wenn wir in der Schule für Außenstehende Partei ergreifen, obwohl uns die anderen dafür auslachen. Oder wenn wir klar sagen, dass wir Witze über Geflüchtete oder queere Menschen nicht lustig finden. Zivilcourage bedeutet, andere Menschen zu verteidigen, ihnen beizustehen und sie zu unterstützen – und zwar erst recht, wenn sie menschenfeindliche Übergriffe erleben oder erlebt haben. Gezieltes Empowerment will Betroffene befähigen, sich aktiv und selbstbestimmt am Leben und an politischen Prozessen zu beteiligen. Dies ist nicht nur für jede und jeden Einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft wichtig. Denn je mehr Menschen sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen, desto breiter wird die Vielfalt der Meinungen sichtbar.
Zivilcourage kann man erlernen und stärken
Das Bundesprogramm "Demokratie leben!" unterstützt verschiedene Projekte, in denen Menschen Kompetenzen erwerben, um füreinander einzustehen und die eigene Meinung auch in heiklen Situationen offen zu vertreten. Eines der geförderten Projekte ist die Initiative "Mach meinen Kumpel nicht an! – für Gleichbehandlung, gegen Rassismus e. V.". Auch bekannt als "Kumpelverein", setzt sich die Initiative seit über 30 Jahren für Gleichberechtigung und Chancengleichheit im Arbeitsleben ein: durch Anti-Rassismus-Projekte in Betrieben und Berufsschulen, durch das Bereitstellen von Materialien sowie durch die Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren. Mit dem Wettbewerb "Die gelbe Hand" animiert der Verein jedes Jahr junge Menschen dazu, sich mit dem Thema Zivilcourage auseinanderzusetzen, kreativ zu werden und ein Zeichen zu setzen. Wie gut das gelingen kann, zeigt der mit dem Sonderpreis Nordrhein-Westfalen prämierte Kurzfilm "Gemeinsam statt einsam", den Schülerinnen und Schüler des Adolph-Kolping-Berufskollegs in Münster produziert haben. Der "Kumpelverein" ist Teil des Kompetenznetzwerks zur Demokratieförderung in der beruflichen Bildung.
Mut zu mehr Menschlichkeit
Auch der Verein "Gesicht zeigen!" engagiert sich seit Jahren für ein weltoffenes Deutschland, indem er zivilgesellschaftliches Engagement stärkt und mit Fortbildungen, Veranstaltungen, Workshops und öffentlichen Kampagnen für jede Form von Diskriminierung sensibilisiert. Von Prominenten unterstützt, schaffen die deutschlandweiten Kampagnen des Vereins immer wieder ein Bewusstsein für Diskriminierung. Ziel ist es, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu ermutigen, im Alltag beherzter gegen Menschenfeindlichkeit einzutreten. Im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" ist der Verein zudem aktiver Bestandteil des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismusprävention.
Haltung zeigen und Hilfe leisten
Was tun, wenn jemand in der U-Bahn angepöbelt oder sogar körperlich angegriffen wird? Wann schreite ich ein und wie mache ich das am besten? Zivilcourage beginnt schon beim Nichtwegsehen. Hier folgen einige Tipps, wie man sich in einer entsprechenden Situation verhalten kann.
Mehr zur Kampagne "Es beginnt mit dir."
7 Tipps für Zivilcourage
Hinschauen
Wer Konflikten den Rücken kehrt, signalisiert Zustimmung. Dabei verändern schon kleine deutliche Gesten die ganze Situation. Denn sie eröffnen neue Handlungsspielräume und motivieren bestenfalls Umstehende, auch zu handeln.Genau beobachten
Streitet sich ein Pärchen oder belästigt ein Mann eine Frau? Raufen sich Jugendliche spielerisch oder ist es bereits ein körperlicher Angriff? Nicht jede Situation erfordert aktives Einschreiten.Mund aufmachen
Ob auf dem Schulhof, in der Bahn oder im Büro: Wird eine Person verbal beleidigt, hilft es, laut und deutlich zu widersprechen. Das stärkt nicht nur die Betroffenen, sondern macht zugleich Fehlverhalten sichtbar.Hilfe organisieren
Wer unsicher ist, hält lieber Abstand – besonders wenn es um körperliche Angriffe geht. Ist persönliches Eingreifen nicht möglich oder zu gefährlich, am besten Verbündete suchen oder die Polizei rufen.Kontakt herstellen
Ob per Blickkontakt oder mit Worten: Die direkte Kontaktaufnahme zu Betroffenen vermindert deren Angst und unterstützt sie. Das Angebot, Hilfe zu leisten oder die Polizei zu rufen, reicht mitunter schon, um eine Situation zu entspannen.Unerwartet reagieren
Die goldene Regel lautet: nicht provozieren! Wer kreativ und humorvoll reagiert, kann oft den Überraschungseffekt zum eigenen Vorteil nutzen. Vielleicht einfach mal laut "Do you really want to hurt me?" singen?Als Zeugin und Zeuge eintreten
Einen Vorfall zu bezeugen, hilft. Dafür sollte man sich wichtige Details wie Gesichter, Kleidung oder Fluchtrichtung einprägen.
Unser Zusammenleben geht uns alle an! Wegsehen oder weglaufen gilt nicht, denn jede und jeder Einzelne kann helfen. Ausführliche Informationen zum Thema Zivilcourage und Empowerment sowie viele weitere hilfreiche Tipps liefern auch die Broschüren "Schulter an Schulter – Solidarisch gegen Antisemitismus, Rassismus und Gewalt." (PDF-Datei) oder "'Was soll ich denn da sagen?!' Zum Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus im Schulalltag" (PDF-Datei) sowie die umfassende Handreichung "Gesicht zeigen – aber wie?".
Veröffentlicht im Dezember 2022