In der niedersächsischen Gemeinde Bramsche wird demokratische Beteiligung von klein auf praktiziert: Neben dem Jugendforum der Partnerschaft für Demokratie gibt es seit über zehn Jahren auch jährliche Wahlen zum Kinderbürgermeister beziehungsweise zur Kinderbürgermeisterin. Für das Amt können sich Bramscher Kinder im Grundschulalter allein oder als Team bewerben. Unterstützt werden sie nach der Wahl vom Erwachsenenbürgermeister Heiner Pahlmann und der Stadtjugendpflegerin Stefanie Uhlenkamp.
Wahl zum Kinderbürgermeister und zur Kinderbürgermeisterin
Entstanden ist das Projekt innerhalb der Ferienbetreuung der Stadt: "In den Sommerferien findet eine sogenannte Wahlwoche statt. Themen rund um Kinderrechte, Politik, Verwaltung werden kindgerecht angesprochen, es finden auch Besuche im Rathaus statt. Kinder überlegen sich, ob sie kandidieren möchten und welches ihre Themen sein können. Sie stellen sich den anderen Kindern vor und berichten von ihren Plänen, falls sie gewählt werden", sagt Stefanie Uhlenkamp.
Ganz wie bei den Wahlen zum Erwachsenenbürgermeister gibt es neben der Abstimmung im Wahllokal die Möglichkeit der Briefwahl. Unterstützt wird die Wahl vom Jugendparlament, dessen Abgeordnete zum Beispiel einen Wahlvorstand bilden und die Stimmen auszählen. Die Wahlbeteiligung liegt laut Stefanie Uhlenkamp dabei immer über 80 Prozent.
Themen der Kinderbürgermeister und Kinderbürgermeisterinnen
Nach der Wahl finden monatliche Treffen statt, bei denen die Gewählten an der Umsetzung ihrer Themen arbeiten. "Je nach Kinderbürgermeisterin oder Kinderbürgermeister sind die aufgegriffenen Vorhaben sehr vielfältig", so die Stadtjugendpflegerin. Welche Themen aufgegriffen werden, entscheiden die Kinder dabei stets selbst. "Es wurde zum Beispiel ein Stadtplan für Kinder erarbeitet oder ein großes Fest veranstaltet. Die Kinder probieren sich aus, haben eigene Ideen oder freuen sich über Anfragen. Häufig geht es um Spielplätze und um den öffentlichen Raum." Durch die Zusammenarbeit mit einer Grundschule und der Lokalpolitik ist in einem Ortsteil zum Beispiel eine Bedarfsampel eingerichtet worden, die den Schulweg sichert. Zudem wurde eine Broschüre veröffentlicht, die Kindern die Kommunalpolitik erklärt.
Reaktionen auf das Projekt
Derzeit bilden vier Mädchen das Kinderbürgermeisterinnen-Team. "Ich finde es toll, dass wir dadurch ein Mitspracherecht haben und auch einen Einblick in die Arbeit eines Bürgermeisters beziehungsweise einer Bürgermeisterin bekommen", sagt Paula, eine der vier. "Auch freue ich mich darüber, dass wir für die Kinder in Bramsche die Stadt verschönern können. Unsere Treffen machen mir auch sehr viel Spaß." Ihre Kollegin Gesa fügt hinzu, dass es auch wichtig ist, die Meinung der Kinder gegenüber dem Bürgermeister vertreten zu können.
Heiner Pahlmann, der erwachsene Bürgermeister der Stadt Bramsche, steht ebenfalls voll und ganz hinter dem Teilhabe-Gedanken des Projekts: "Alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt sollen ein Mitspracherecht haben. Auch Kinder haben ein Recht darauf, Prozesse und Entwicklungen in der Stadt Bramsche mitgestalten zu dürfen. Diese Partizipation wird von uns bewusst gefördert."
Von den Einwohnerinnen und Einwohnern Bramsches habe es bisher ebenso nur positive Rückmeldungen für das Projekt und die Tätigkeit der Kinderbürgermeisterinnen und Kinderbürgermeister gegeben, wie Stefanie Uhlenkamp berichtet.
Dass eine Amtszeit im Kindesalter später zu weiterer politischer Beteiligung führen kann, zeigt sich daran, dass sich für das derzeit amtierende Jugendparlament auch ehemalige Kinderbürgermeister als Kandidaten aufstellen ließen. Genau dafür setzen sich die Verantwortlichen ein: "Es ist uns wichtig, auch Nachfolgeformate anbieten zu können, damit das geweckte politische Interesse weiterverfolgt werden kann", sagt Stefanie Uhlenkamp. "Die Kinder berichten übrigens oft davon, dass sie später auch Klassensprecherin beziehungsweise Klassensprecher oder Schülersprecherin beziehungsweise Schülersprecher werden."
Tipps für interessierte Kommunen
Zwar sei es sicherlich nicht möglich, in jeder Kommune einen Kinderbürgermeister oder eine Kinderbürgermeisterin zu haben, so Stefanie Uhlenkamp. Generell solle die Beteiligung zu den Bedingungen und Ressourcen vor Ort passen. "Wichtig ist aus unserer Sicht, dass es sich dabei um eine ernsthaft gewünschte Beteiligung handelt und dass diese angemessen ausgestaltet wird. Kinder sollten spielerisch an Mitwirkungsprojekte herangeführt und verlässlich begleitet werden, damit sie nicht die Freude am Tun verlieren. Wenn sie die Möglichkeit haben, selbstwirksam zu gestalten, dann werden sie sich auch im weiteren Verlauf ihres Lebens für die Gesellschaft, in der sie leben, einsetzen."
Kinderbürgermeisterin Gesa ergänzt: "Lasst Kinder Ideen einbringen, gebt ihnen das Gefühl, dass sie gehört und ernst genommen werden." Und, ganz wichtig: "Habt Spaß!"
Veröffentlicht im September 2023
Dieser Beitrag ist Bestandteil des Themenmonats "Kinderrechte und Kinderbeteiligung".