Ansicht am Bildschirm: Jugendliche in einem Raum

Echt jetzt – Verschwörungserzählungen erkennen

Jugendliche wachsen mit sozialen Medien auf, aber Medienkompetenz muss erst erlernt werden. Fake News und Verschwörungserzählungen zu erkennen und kritisch zu hinterfragen, ist das Projektziel von "Echt Jetzt?!".

Pinselstrich

Wie funktionieren Verschwörungserzählungen? Können sich junge Menschen dagegen schützen? Durch das Internet verbreiten sich Fake News, Desinformationen und Verschwörungserzählungen schnell und gefährden nicht zuletzt die Demokratie. Das Projektteam von "Echt Jetzt?!" setzt sich dafür ein, dass junge Erwachsene Verschwörungserzählungen im Netz erkennen. Natürlich gab es Verschwörungserzählungen bereits vor dem Internet, "aber wir müssen darüber sprechen, dass dies ein Mittel gezielter Propaganda ist, nicht zuletzt, um online Jugendliche zu erreichen", so Projektleiter Mathias Rauh. Er setzt sich beim Distanz e. V. durch Workshops zur Medienkompetenz für einen kritischen Umgang mit Verschwörungserzählungen ein.

"Das eigene Weltbild, das man sich in der Jugendphase aufbaut, besteht unter anderem aus Informationen von verschiedenen Medienkanälen", erläutert er weiter. "Und Jugendkultur findet heute zum größten Teil einfach online und auf sozialen Medien statt. Das ist in Ordnung, aber soziale Medien sind mittlerweile auch der Hauptinformationskanal geworden – aus Medienkompetenz-Sicht spannend und gleichzeitig herausfordernd." Dabei stellt Rauh in den Workshops von "Echt Jetzt?!" fest, dass viele Jugendliche schon relativ reflektiert ihre Medienkanäle nutzen. Sie wissen zum Beispiel, womit Influencerinnen und Influencer ihr Geld verdienen.

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"Echt Jetzt!?" bietet Workshops für junge Erwachsene und Fortbildungen für Multiplikatoren und Multiplikatorinnen an. Umgesetzt wird das Projekt vom Distanz e. V., der vor allem in Thüringen mit rechtsextrem orientierten, einstiegsgefährdeten Jugendlichen arbeitet und bundesweit Fachkräfte in der Distanzierungsarbeit berät.

Logo "Echt Jetzt?!"
Kinder vor einem Tablet
Workshop: Kinder vor einem Tablet, Bild: "Echt Jetzt?!"

Einfluss von Verschwörungserzählungen auf das eigene Weltbild

In den Workshops für Schülerinnen und Schüler werden aber auch "blinde Flecken" sichtbar, das heißt, "manchmal ist das gefühlte Medienwissen sehr groß, aber wir als Medienpädagogen und -pädagoginnen wissen, da fehlt es noch an wirklichem Verständnis bei entscheidenden Stellen – etwa, wenn es um den Einfluss der Mediennutzung auf die eigene, politische Meinungsbildung geht". Sichtbar wird das dann, wenn Verschwörungserzählungen in den Klassenzimmern und Jugendtreffs oft unbewusst reproduziert werden. Das Team von "Echt Jetzt?!" geht dem Prozess dieser Reproduktion nach, in dem sie mit den Schülerinnen und Schülern die Manipulationsstrategien von Online-Propaganda und Verschwörungserzählungen spielerisch aufarbeiten und sichtbar machen.

"Die Inokulation, im Sinne von 'Schutzwirkung', bedeutet, einen Selbstschutz gegen die Beeinflussung durch Verschwörungserzählungen und Fake News zu entwickeln. Dies geschieht, indem manipulative Techniken und Propaganda-Strategien bewusst durchschaut, verstanden und sogar spielerisch ausprobiert werden."

Website www.projekt-echtjetzt.de

"Für uns ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler verstehen: Medien haben einen großen Anteil daran, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen", so Mathias Rauh. "Es mag abgehoben klingen, aber wie wir in unserer Gesellschaft die Wirklichkeit wahrnehmen, hängt davon ab, wie wir kommunizieren. Unsere Weltbilder entstehen durch Sprache, Bilder, Medien." Das Projektteam hat präventive Angebote in Form von Workshops, Beratung und Online-Kampagnen entwickelt, damit Jugendliche Medienkompetenz als integralen Bestandteil von Demokratie besser verstehen. In der pädagogischen Arbeit werden dafür lebensnahe Bezüge hergestellt. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich dann kritisch und mithilfe der Medienpädagoginnen und -pädagogen mit verschiedenen Fragen auseinander:

  • Woher kommt die eigene Meinung zu einem Thema?

  • Welchen Einfluss haben dabei soziale Medien gespielt?

  • Welchen Einfluss hatten zudem Freunde und Bekannte?

Es geht nicht allein darum, wie beispielsweise TikTok oder YouTube funktionieren, denn im nächsten Jahr ist vielleicht eine andere Online-Plattform interessant. "Wir versuchen in unserem Ansatz der kritischen Medienbildung universell anwendbare Strategien zu vermitteln, ob man nun eine Zeitung liest oder sich online bewegt. So entwickeln wir Handlungsfähigkeit und zeigen: Du kannst dich orientieren, du kannst dich souverän in dieser Informationsflut bewegen, indem du zum Beispiel bestimmte Quellenkriterien beachtest", führt der Projektleiter weiter aus. Es geht aber nicht allein um den klassischen Faktencheck, auch bekannt als "Debunking". "Das Problem hierbei ist, dass nur diejenigen Fakten checken, welche ohnehin bereits skeptisch gegenüber einer Nachricht sind. Eher unentschiedene Personen werden von Desinformation womöglich trotzdem noch erreicht." Hier kommt der Inokulationsansatz zum Einsatz. "Inokulation bedeutet frei übersetzt so viel wie Immunisierung – also das Sensibilisieren vorab für mögliche Manipulationsstrategien", erklärt Rauh. Dieser, auch als "Prebunking" bezeichnete Bildungsansatz unterstützt dabei, tendenziöse und manipulative Social-Media-Posts, Videos oder Reels kritisch einzuordnen. Jugendliche können so einen Selbstschutz gegen Verschwörungserzählungen und Fake News aufbauen.

Schlüsselmomente in den Workshops

In den verschiedenen Workshop-Formaten gibt es auch immer wieder sogenannte "Aha-Momente", wenn beispielsweise über Geschäftsmodelle von Online-Medien gesprochen wird oder es um die Macht von Sprache geht. Verschwörungserzählungen können sich auf das Informationsverhalten von jungen Menschen auswirken. "In einer Phase von Adoleszenz, in der junge Menschen gerade das politische Weltbild erkunden, ausprobieren, austesten, mit anderen darüber sprechen und vielleicht auch provokativ anwenden, haben Verschwörungserzählungen einen Anteil daran, was erzählt wird", so Mathias Rauh. Die dahinterliegenden Strategien liegen dabei sehr oft im extremistischen Bereich. Und die Verbreitung solcher Narrative geht übers Internet dann nicht nur schnell, sondern findet auch viel direkter und unkritischer statt, etwa wenn der Austausch mit Freunden außerhalb der digitalen Filterblasen fehlt.

Ansicht am Bildschirm: Jugendliche in einem Raum
Workshop des Projekts "Echt Jetzt?!", Bild: "Echt Jetzt?!"

Einfluss von Verschwörungserzählungen auf die Demokratie

Welchen Einfluss haben also Verschwörungserzählungen auf die Demokratie? "Sie stören erst einmal den demokratischen Diskurs, zum Beispiel durch so etwas wie die Losgelöstheit von Fakten, also dass man einfach erzählen kann, was man will", so der Projektleiter. "Dann geht es auch darum, dass Verschwörungserzählungen ganz implizit moralische Grenzen verschieben und existenzielle Ängste auslösen können, dadurch sind Menschen offener für Radikalisierungsbotschaften." Was daraus folgen kann, sind Isolation, Gewalt und die Ablehnung von gegenläufigen Informationen.

Das Projektteam von "Echt Jetzt?!" setzt sich dafür ein, dass es gar nicht erst dazu kommt und Jugendliche Verschwörungserzählungen, Fake News und Desinformationen erkennen und hinterfragen. "Der Einfluss von Verschwörungserzählungen ist sehr destruktiv. Wir machen eigentlich noch viel zu wenig dagegen", so Mathias Rauh. Aber auch, wenn das Projekt 2024 endet, so hat das Team die medienpädagogischen Ansätze weiterentwickelt und weiß, welche Vorgehensweisen auch in der Distanzierungsarbeit hilfreich sind. Es wurde ein deutschlandweites Netzwerk aus Akteurinnen und Akteuren geknüpft, um sich für die "digitale Demokratie" in Folgeprojekten des Distanz e. V. stark zu machen.


Veröffentlicht im Oktober 2024

Online-Kampagne

Das Projektteam ist auch auf dem Instagram-Kanal von "Echt Jetzt?!" aktiv.   

Kachel im Instagramkanal von "Echt Jetzt?!": Was ist echt jetzt?
Beitrag auf Instagram von "Echt Jetzt?!"