Tagungen, Demonstrationen, Festivals – auf Veranstaltungen kommen viele Menschen zusammen, um zu feiern, sich auszutauschen oder gemeinsam produktiv zu sein. Wie in anderen Alltagssituationen spielen auch in Veranstaltungskontexten gesellschaftliche Machtverhältnisse meist eine Rolle. Dies kann dazu führen, dass Menschen dort Grenzüberschreitungen, Diskriminierung oder (sexualisierte) Gewalt erleben. Um dem entgegenzuwirken, gibt es Awarenessarbeit. Diese zielt darauf ab, auf Machtstrukturen aufmerksam zu machen, sie zu verändern und Ungleichheiten abzubauen.
Was macht Awarenessarbeit im Veranstaltungskontext aus?
Awareness bedeutet Achtsamkeit und Bewusstsein. Bei der Awarenessarbeit geht es darum, einen rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Umgang miteinander zu etablieren. Dies bedeutet, die Grenzen aller zu respektieren und Diskriminierung und Gewalt entgegenzutreten.
"Bei der Awarenessarbeit im Veranstaltungskontext geht es darum, Veranstaltungen sicherer und inklusiver zu gestalten und ein respektvolles Miteinander zu etablieren", erklärt Jella Wildenmann vom Projekt "Support f(x) – Schnittstelle für Awareness, Antidiskriminierungsarbeit und Gewaltprävention" vom Verein Initiative Awareness. Das sächsische Projekt sensibilisiert für Awareness im Veranstaltungskontext, bietet präventive Schulungs- und Workshopformate an und hilft Veranstaltenden dabei, die eigene Veranstaltung diskriminierungssensibel zu gestalten. "Unsere Zielgruppen sind Awarenessteams, Veranstaltungsorte, Kulturtreibende sowie die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltungsorte", sagt Jella Wildenmann.
Neben der Präventionsarbeit unterstützt das Projekt auch bei Interventionen im Veranstaltungskontext. Die vom Projekt geschulten Awarenessteams helfen Betroffenen vor Ort bedürfnisorientiert. Sie stärken die Betroffenen, indem sie ihnen zuhören und gemeinsam nach Lösungen suchen. Sie verhalten sich dabei parteiisch und solidarisch im Sinne der betroffenen Person. So erhalten diese einen geschützten Rahmen, um von ihren Erfahrungen berichten zu können, ohne dabei mit Zweifeln oder Schuldvorwürfen konfrontiert zu werden.
Was ist für diskriminierungssensible Veranstaltungen wichtig?
Ein erster Schritt hin zu einer diskriminierungssensiblen Veranstaltung ist die öffentliche Positionierung gegen Diskriminierung. Veranstaltende können dafür leicht verständliche Informationen über Diskriminierung am Veranstaltungsort für die Teilnehmenden auslegen. Hierbei sollte auf Mehrsprachigkeit geachtet werden, um Sprachbarrieren zu vermeiden und den Zugang zu den Informationen nicht zu erschweren.
In der Kommunikation ist außerdem auf eine gender- und diskriminierungssensible Sprache zu achten. Thimo Gawlik von Support (f)x empfiehlt, im Vorfeld die Pronomen der Teilnehmenden abzufragen und diese entsprechend auf die Namensschilder zu vermerken. Außerdem rät er dazu, geschlechtsneutrale Formulierungen (Teilnehmende statt Teilnehmer) und eine diversitätssensible und diskriminierungsarme Bildsprache zu verwenden.
Kollektive Verantwortungsübernahme
Um Diskriminierung im Veranstaltungskontext zu minimieren, müssen sich alle Beteiligten gemeinsam verantwortlich fühlen. Das bedeutet, Diskriminierung und Übergriffe, die im Rahmen der Veranstaltung passieren, nicht zu verschweigen, sondern in Abstimmung mit den Betroffenen klar zu kommunizieren. Gleichzeitig sollten Konsequenzen daraus gezogen werden, wie zum Beispiel das Ausschließen einer gewaltausübenden Person von der Veranstaltung.
Ein divers aufgestelltes Awarenessteam kann mögliche Probleme bei Veranstaltungen besser erkennen und gegensteuern. "Dabei sollte das Team aus mindestens zwei Personen bestehen, um sich gegenseitig unterstützen und rückmelden zu können", sagt Thimo Gawlik.
"Für die Gäste sollte darüber hinaus ersichtlich sein, an wen sich Betroffene oder Beobachterinnen und Beobachter von Vorfällen hinwenden können", sagt Jella Wildenmann. Dies kann ein gut sichtbares Awarenessteam sein, das auf der Veranstaltung präsent und ansprechbar ist. Ebenso ist ein gut ausgeschilderter Awareness-Raum, der einen geschützten Rückzug für Betroffene bietet, eine Möglichkeit. Hier können sich Personen von anstrengenden Situationen erholen und vertrauliche Gespräche führen.
Feedback ermöglichen, um Lernprozesse anzuregen
"Es ist auch wichtig, Kritik zu ermöglichen und Feedbackprozesse der Gäste mitzudenken", ergänzt Jella Wildenmann. "Hier können Erwartungen und Meinungen gut vorab über Umfragen auf der Veranstaltungswebsite eingeholt werden. Während der Veranstaltung können Feedback-Boxen platziert oder digitale Feedback-Tools genutzt werden. Nach der Veranstaltung kann detailliertes Feedback durch ein Formular eingeholt werden", erklärt Thimo Gawlik von Support (f)x. So können auch im Nachgang noch Barrieren aufgedeckt und für zukünftige Veranstaltungen abgebaut werden.
Wie erhalten Interessierte Unterstützung?
Support (f)x erhebt die aktuellen Bedarfe der Awareness-Szene und unterstützt diese durch eine aktive bundesweite Online-Community, Fachtagungen, Treffen und Runde Tische. Auf der eigenen Awareness Plattform vernetzt es bundesweit alle, die sich mit Awareness beschäftigen. Awarenessteams und Veranstaltende können dort ihre Grundsätze und Good Practices darstellen, Ressourcen teilen und sich auf einer digitalen Karte abbilden lassen.
Zusätzlich bietet die vom Projekt herausgegebene Awareness Broschüre einen guten Einstieg in das Thema, umfasst eine Checkliste, was Awarenessteams beachten sollten, und beinhaltet eine Auflistung existierender Anlaufstellen – von Betroffeneninitiativen über Awarenessvereine bis zu Antidiskriminierungsstellen für Weiterbildungen, Schulungen und Workshops. Support (f)x steht darüber hinaus Interessierten bei allen Awareness-Tätigkeiten beratend zur Seite.
Veröffentlicht im Juni 2023