Marktstand mit verschiedenen Gemüsesorten

Demokratische Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen

Das Projekt "Klima für Demokratie – wir machen mit!" macht demokratische Teilhabe und Klimaschutz für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf verständlich und erlebbar.

Pinselstrich

Menschen mit Beeinträchtigungen nehmen seltener am politischen Leben teil und interessieren sich weniger für Politik als Menschen ohne Beeinträchtigungen. Zur Teilhabe an politischen Prozessen braucht es Ansätze politischer Bildung, die speziell auf junge Menschen mit Beeinträchtigungen zugeschnitten sind. Außerdem braucht es Sensibilität für ihre besonderen individuellen Bedarfe, wie zum Beispiel Materialien in leichter Sprache oder Methoden, die sich an eine kürzere Konzentrationsspanne anpassen.

Das Projekt "Klima für Demokratie – wir machen mit!" des Jugendfördervereins Parchim/Lübz e. V. möchte die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihr Recht auf politische Bildung stärken. Dafür entwickelt das von 2020 bis 2022 im Innovationsfonds geförderte Projekt Methoden und erstellt Materialien, die in Einrichtungen der Jugendberufsförderung eingesetzt werden können. Es richtet sich an benachteiligte Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, also Jugendliche und junge Erwachsene mit kognitiven und sozialen Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel einer Lernbeeinträchtigung, und an die mit der Zielgruppe arbeitenden pädagogischen Fachkräfte.

Demokratische Kompetenzen stärken

Ziel des Projekts ist es, erlebnisorientierte Lehr- und Lernmaterialien zu entwickeln, mittels derer Jugendliche mit Förderbedarf an außerschulischen Lernorten demokratische Kompetenzen erlernen und für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden. Bestehende Angebote, die diese Themen leicht verständlich vermitteln, richten sich meist an Kinder und sind dementsprechend gestaltet. Diese Materialien holen die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf thematisch und methodisch nicht ab.

"Das Engagement der Zielgruppe ist in Jugendparlamenten oder Interessengruppen in Mecklenburg-Vorpommern deutlich unterrepräsentiert. Um demokratische Kompetenzen entwickeln zu können, mussten hier die Grundkompetenzen wesentlich gestärkt werden."

Andrea Richter, Projektkoordinatorin

Deshalb entwickelte das Projekt gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften von Berufs-, Förder- und Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern zwölf niedrigschwellige und lebensweltnahe Methoden über die Themen Natur, Landwirtschaft und Klimaschutz. "Grundlage für die Konzeption der Lehr- und Lernmaterialien waren Befragungen und Reflexionsworkshops mit Fachkräften, die diese 'Kleinprojekte' mit Jugendlichen durchgeführt haben. Die Themen wurden gemeinsam entwickelt und sind während der Erprobung weiterentwickelt worden", berichtet Projektkoordinatorin Andrea Richter.

Lebensweltnahe Methoden

Alle Methoden zeichnen sich durch ihren Alltagsbezug und ihre Erlebnisorientierung aus, die Themen sprechen die Jugendlichen ganz konkret in ihrer Lebenswelt an. Einige Methoden stärken sie im Umgang mit Geld, beim Einkaufen, Verkaufen und Preisvergleich. Dabei werden ihre Recherchefähigkeiten geschult, sie lernen Handouts und Collagen zu ihren Ergebnissen zu erstellen und ihre Arbeit mit Fotos zu dokumentieren. Die Projektmitarbeitenden fanden heraus, dass der Wechsel von Theorie und Praxis, kleinschrittiges und anschauliches Arbeiten, sowie die Arbeit in Kleingruppen das Projektergebnis zusätzlich positiv beeinflusst. "Wichtig war auch immer die Teilhabe der Teilnehmenden an Entscheidungen über weitere Inhalte", ergänzt Andrea Richter.

So kochen zum Beispiel bei der Methode "Demokratie braucht Offenheit" Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte gemeinsam ihre Lieblingsgerichte und erstellen zusammen ein Rezeptbuch. Dabei befassen sie sich damit, was an verschiedenen Orten der Erde wächst und welche Ernährungsgewohnheiten daraus entstehen, und lernen, zu diskutieren, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, sich gegenseitig zu respektieren und Vorurteile abzubauen.

Eine Gruppe Jugendliche kommen gelaufen.
Jugendliche beteiligen sich an außerschulischen Lernorten, Bild: BAFzA

Gleichzeitig werden auch ihre sozialen Fähigkeiten gefördert, sowohl im Umgang untereinander als auch mit anderen Personen. Dies lässt sich bei der Methode "Geschichtsbewusstsein und ökologisches Bewusstsein" beobachten. Hier müssen sich die Jugendlichen für Interviews mit Zeitzeugen überwinden, mit Fremden zu sprechen.

Erlebnisorientiertes Lernen

Das Projekt sieht auch die Arbeit mit Jugendlichen außerhalb der Klassen- und Schulungsräume als besonders erfolgreich an, da diese viel Bewegung und Abwechslung benötigen und ihnen insbesondere langes Stillsitzen und theoretisches Arbeiten schwerfallen. Durch erlebnisorientierte Methoden in der Natur können ihnen auch abstraktere Zusammenhänge anschaulich nähergebracht werden.

Eine Methode behandelt beispielsweise das gemeinsame Anbauen, Ernten und Verarbeiten von Obst, Gemüse und Kräutern im Ausbildungsgarten, den Verkauf der Produkte an Mitschülerinnen und -schüler und die Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel anhand der Anbaugewohnheiten und -möglichkeiten.

Demokratiekompetenzen wie Kommunikations-, Team- und Konfliktfähigkeit sowie Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit werden durch die alltagsbezogenen und niedrigschwelligen Methoden vermittelt und gestärkt. Diese Ansätze sollen auch weitere Träger ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und ins Gespräch zu kommen, um die politische Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen zu gewährleisten und ihnen ein diskriminierungsfreies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.


Veröffentlicht im Mai 2023