Projektlogo und daneben ist eine Person abgebildet, die in ein Smartphone rennt.

Beispiele für die pädagogische Bearbeitung von Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien sind nicht neu, haben aber durch Populismus, Social Media und gesellschaftliche Krisen eine neue Trag- und Reichweite gewonnen. Wie geht man damit um?

Pinselstrich

Das Modellprojekt #vrschwrng - Ein interaktives Toolkit gegen Verschwörungstheorien diskutierte diese Frage auf einem digitalen Kongress im September 2020 mit ausgewiesenen Fachkundigen. Daraus entstanden ist der Sammelband "Zum kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien: Erkenntnisse für die Pädagogische Praxis", in dem sich verschiedene Autorinnen und Autoren mit diesem Themenfeld auseinandersetzen.

Dass Verschwörungstheorien nicht nur skurril erscheinen können, sondern auch ein Gewaltpotenzial besitzen, wurde während der Tagung diskutiert. Für demokratische Grundwerte stellt dies dann eine Gefahr dar, wenn derartige Erklärungsansätze für komplexe Phänomene auf gesellschaftliche Gruppen treffen, die aufgrund ihrer Lebensphase verstärkt nach Halt und Orientierung suchen – so auch insbesondere Jugendliche. Sie sind mit Internet, Social Media und Co. aufgewachsen und mit den verschiedenen Online-Plattformen vertraut. Mit Blick auf die dort kursierenden Verschwörungserzählungen wirft dies Fragen auf: Woran erkennt man, ob ein vorgestellter Sachverhalt der Wahrheit entspricht oder nicht? Wie kann die Resilienz gegenüber Verschwörungsnarrativen gestärkt werden? Wie kommt es, dass manche Menschen empfänglicher für Verschwörungstheorien sind als andere?

"Nicht alle Verschwörungstheorien sind per Definition problematisch und schon gar nicht alle diejenigen, die an sie glauben. Aber Verschwörungstheorien können Katalysatoren für Radikalisierung sein und die Gewaltbereitschaft erhöhen."

Michael Butter, Auszug aus der Broschüre

Bildung als zentrales Element

Je früher Menschen über aktuelle Prozesse und Themen aufgeklärt werden, desto seltener könnten sie im Nachhinein für alternative Theorien anfällig sein, resümiert der Literatur- und Kulturhistoriker Michael Butter. Empirische Studien legen die Vermutung nahe, dass Personen Verschwörungstheorien weniger Glauben schenken, wenn sie zuvor über den entsprechenden Sachverhalt aufgeklärt und dabei mögliche Argumente von Verschwörungstheorien aufgegriffen und widerlegt würden.

Hier spielt auch die Gesellschafts-, Medien und Geschichtskompetenz eine Rolle. Zur Eindämmung von verschwörungstheoretischen Inhalten könnte eine Mischung aus psychologischem, medienkritischem und historischem Hintergrundwissen nützlich sein. Dies bedeutet, dass die Fähigkeit, das Verhalten von Menschen gesellschaftlich und psychologisch besser zu verstehen, eine ebenso große Tragweite besitzt wie die Kompetenz, seriöse von unseriösen Quellen zu unterscheiden. Die Geschichte vermittelt ergänzend historische Beispiele von früheren Verschwörungstheorien und den tatsächlich rekonstruierbaren Fakten.

Verschwörungsmentalität

Aus sozialwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Sicht führt der Psychologe Roland Imhoff unbefriedigte Bedürfnisse als einen Grund an, weshalb manche Menschen eher zu Verschwörungsnarrativen neigen als andere. Beispiele hierfür sind das Bedürfnis nach klaren, leicht nachvollziehbaren Antworten, der Wunsch nach Kontrolle oder auch die Sehnsucht nach Einzigartigkeit und dem Bestreben, Inhaberin oder Inhaber von exklusivem Wissen zu sein.

Im Zusammenhang damit steht der Begriff der Verschwörungsmentalität – denn die konkreten Inhalte von Verschwörungserzählungen spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Viel eher lässt die Neigung zu Verschwörungsnarrativen auf eine grundsätzliche Geisteshaltung schließen: Diese fußt auf der Überzeugung, dass alles, was "uns" erzählt werde, falsch sei, denn die Bevölkerung werde von den Mächtigen und den Medien nur an der Nase herumgeführt.

Friedenspädagogische Ansätze

Die Vermittlung kritischer Medienkompetenz ist wichtiger denn je. Vor allem Methoden der Friedenspädagogik können laut Nicole Rieber, Uli Jäger und Carolin Sokele von der Berghof Foundation als Inspirationsquellen dienen. Neben der Aneignung von Hintergrundwissen über Ursachen und Aussagen von Verschwörungstheorien ist die Förderung einer selbstbewussten, reflektierten Grundhaltung ein wichtiger Schlüsselmoment. Dies beinhaltet neben der Empathiefähigkeit auch das Erlernen von Strategien, konstruktiv mit Konflikten umzugehen und gemeinsam an einer demokratischen Streitkultur zu arbeiten und diese zu leben.

Das Modellprojekt #vrschwrng – Ziele und Vorgehen

Es zeigt sich: Die Gründe und Ursachen für die Entstehung von und den Glauben an Verschwörungsnarrative sind vielfältig und komplex. Dies spiegelt sich letzten Endes auch in dem Ansatz wider, den das Modellprojekt "#vrschwrng" verfolgt: Denn die Vermittlung von Fakten allein reicht nicht aus. Viel eher ist es ein Mix aus Wissensvermittlung, Reflexions- und Konfliktfähigkeit, der Jugendliche langfristig befähigen soll, Inhalte kritisch und differenziert zu betrachten und extremistischen sowie verschwörungsideologischen Einstellungen nicht anheim zu fallen.

Eine Person hält sich das Smartphone vor das Gesicht. Auf dem Smartphone ist ein Auge abgebildet.
Illustration aus dem Sammelband, Bild: Berghof Foundation Operations gGmbH

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